Es hörte sich so an, wie Angela Merkels Dauermantren von der »Alternativlosigkeit« und dem »scheitert der Euro, scheitert Europa«: Der US-Oligarch und Ex-Regierungsmanager für besondere Aufgaben, Elon Musk, sprach in Interviews vor seinem Bruch mit US-Donald Trump mehrfach von der Aufgabe, die USA »nicht scheitern« zu lassen. Gemeint war letztlich die USWährung als Leitwährung der Welt.
»Wir müssen die Position des US-Dollars als eines Stützpfeilers der Währungsstabilität überall in der Welt schützen. In den letzten sieben Jahren kam es durchschnittlich jedes Jahr zu einer internationalen Währungskrise.« Das sagte der damalige US-Präsident Richard Nixon in einer Rundfunkund Fernsehansprache am 15. August 1971. Wenig später beendete er das Bretton-Woods-System der festen Wechselkurse mit dem nominell goldgedeckten US-Dollar als globaler Ankerwährung (sogenannter Nixon-Schock).
Die USA waren dabei, ihren Vietnam-Krieg zu verlieren. Nominell gegen Nordvietnam, de facto aber auch gegen die Volksrepublik China und die Sowjetunion. Auch dabei machte der republikanische Präsident eine 180-Grad-Kehrtwende, verprellte die Regierungen Japans und Taiwans, und wandte sich der Kommunistischen Partei in Peking zu. Zuvor hatte Nixon noch versucht, mit der »Verrückter-Mann-Theorie« eine Kriegswende zu Gunsten der USA herbeizuführen. Dies mit der verzweifelten Drohung des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen durch »Der Westen«:
»Ich will die Nordvietnamesen glauben lassen, dass ich den Punkt erreicht habe, an dem ich alles tun werde, um den Krieg zu beenden. Wir werden ihnen so etwas zuspielen wie: ›Mein Gott, sie wissen ja, wie sehr Nixon den Kommunismus hasst. Wenn er in Wut gerät, kann ihn keiner mehr zurückhalten – und er hat die Hand am nuklearen Drücker.‹ – In zwei Tagen ist Ho Chi Minh persönlich in Paris und bittet um Frieden!« (Madman-Theorie, Richard Nixon zitiert nach H. R. Haldeman).
Das Leistungsbilanzdefizit der USA hatte sich mit Bretton Woods immer weiter aufgetürmt – alle anderen hatten so viel wie möglich nach Amerika exportiert, um Devisenreservern anzuhäufen. Die hohen US-Ausgaben für den Vietnamkrieg und die wieder erstarkenden Volkswirtschaften Japans und der BRD setzten den Dollar und die US-Industrie zusätzlich unter Druck. 1973 brach das Weltwährungssystem fixierter Wechselkurse zusammen, das 1944 in einem Konferenzhotel in den Weißen Bergen von New Hampshire unter anderem zwischen dem berühmten britischen Ökonom John Maynard Keynes und dem US-amerikanischen Volkswirt Harry White ausgehandelt worden war (Bretton Woods).
Scheine drucken, Kredite aufnehmen, Geld verteilen
Bretton Woods stand in der Reihe der Erfolge von Keynes’ Strategie des »New Deals« (neuer Geschäftsabschluss), mit dem durch politisch gesteuerte Geldmengen und Investitionen die Weltwirtschaftskrise seit Ende der 1920er Jahre in den USA und Großbritannien insgesamt erfolgreicher als andernorts gemanagt werden konnte – sowohl aus sozialdemokratischer Sicht auf die Arbeiterklasse (Vollbeschäftigung), als auch aus Sicht der Bourgeoisie, die eine Veränderung der großen Eigentumsverhältnisse an Produktionsmitteln um jeden Preis verhindern will. Vereinfacht: Der Staat setzt Geldmenge und Verschuldung als sozialpolitische und wirtschaftspolitische Instrumente ein, um die Geldzirkulation, die Aufrechterhaltung und Ausweitung der Produktion und die gesteuerte Verteilung des Wohlstandes anzuregen.
Die USA übertrieben es mit dem Vietnamkrieg und gaben auch die nur noch nominell aufrechterhaltene Goldpreisbindung auf. Zuerst lösten sich die Schweiz und Großbritannien vom System fixierter Wechselkurse, schließlich auch alle anderen 42 Vertragspartner. 1973 wurde das BrettonWoods-Abkommen schließlich gänzlich außer Kraft gesetzt. Die darin vereinbarten UN-Institutionen, der Internationale Währungsfonds IWF und die Weltbank, bestehen jedoch weiterhin – und entwickelten sich zu den radikalsten Agenturen des Neoliberalismus, zu »Drückerkolonnen«.
Die Aufkündigung des sozialdemokratischinternationalistischen Bretton-Woods-Systems schlägt bis heute durch. Einerseits in Form einer jahrzehntelangen vermeintlichen »Roßkur« durch den Neoliberalismus, die in Großbritannien ab den 1980er Jahren gesellschaftliche Verwerfungen auslöste (Thatcherism). Andererseits durch die seit Ende der Wirtschaftswunder im Westen nie mehr einsetzende Prosperität (Vermachtung im Grunde sämtlicher gesellschaftlicher und ökonomischer Strukturen): Die seit den 1970er Jahren Geborenen haben nie in einer Zeit gelebt, in der Arbeitsleistung, Aufbau und Produktivitätszuwächse »hinabrieselten«. Stattdessen zunächst jahrzehtelange De-facto-Stagnation. Und dann allmählich einsetzende Niedergangserscheinungen. Über den Zusammenbruch des Finanzkapitalismus ab 2007 und der präemtiven Covid-Lüge ab 2019 kommen immer heftigere »Aufprälle« hinzu. Zuletzt: Der Stellvertreterkrieg in der Ukraine und der Völkermord in Gaza.
Musk lehnte die »Big Beautiful Bill« (großes schönes Gesetzespaket) ab und überwarf sich mit Trump wegen der weiter steigenden Verschuldung der USA. Dazu kann man geteilter Meinung sein. In einem Punkt aber hat Elon Musk mit seiner Ablehnung der Verschuldungsorgie definitiv Recht: Die Staatsapparate haben größte Schwierigkeiten damit, die Kosten und Störungen, die sie selber verursachen, überhaupt in ihre Analysen einzubeziehen, geschweige denn die eigene Stutzung oder gar Abschaffung weiter Teile als logische Folge aufwerfen zu dürfen. Wir alle schleppen ungeheure Staatskosten mit durch – ob wir nun gerade Steuerpflichtig sind oder nicht –, ganz so, als wären diese »gottgegeben«. Revolutionen und sogar die verhassten Kriege haben aber alten Pfründestrukturen gegenüber – Fürsten und religiöse NGOs aller Jahrhunderte – objektiv immer auch eine Aufsprengung und Absetzung bedeutet.
Eine der beliebtesten und effizientesten Regierungsmaßnahmen gegen eine überkommene Ordnung, die nicht mehr haltbar war, war die Bodenreform in Russland ab 1917. Mit der Bodenreform wurden Kleinbauern und Eigentumslose immerhin ein Stückchen Ackerland und die Möglichkeit, Datschen zu errichten, zugesprochen – zu Lasten von Großbauern, Adel, Klerus und Staatseigentum. Schon die Aussicht darauf motivierte heimkehrende Soldaten und arme Familien für den Frieden und das neue System.
Seele und Bodenreform
Sein eigenes Land als Eigentümer zu besitzen und, möglicherweise, bewirtschaften zu können (in welcher Form auch immer), ist ein ungeheuer wirkmächtiges Psychologikum für das Erlebnis von Freiheit und Selbstbestimmung. Das zeigt sich auch ästhetisch: Man sieht Gärten an, ob sie gemietet oder staatlich unterhalten sind, und im Zuge dessen zumeist mehr schlecht als recht und großflächig erhalten werden. Oder, ob sie in liebevoller Kleinarbeit der Eigentümer zum Blühen gebracht werden.
Sicher hat der einzelne Gärtner, um in diesem Bild zu bleiben, keinen Einfluss auf die »Makroökonomie der Flora«. Aber die Motivation, die weniger (aber auch) mit der Konkurrenz der Gärtner zu tun hat (wer hat die schönste Rose?), hat vielmehr mit einer Erscheinung zu tun, die kein materialistischer Mechanismus (auch keine KI) berechnen kann: Der Seele des Menschen. In dieser Seele haben auch die Nation und Kultur ihren Platz, wie die Mehrzahl der Auswanderer über mehrere Generationen hinweg bezeugen. Wer nichtmal das nachvollziehen kann, der verdammt auch Naturgleichnisse aller Art.
Denn diese soziale Ligatur ist meines Erachtens langfristig sogar stärker verankert, als das abstrakte Großeigentum an Privilegien, Kapital, Grund, Großbetrieben, angestammten Berufen und, wie die Scheidungsraten und die schiere Anzahl völlig verkrachter alter Familien zeigen, sogar wirkmächtiger als genetisches »Eigentum«. Die neue deutsche Friedensund Demokratiebewegung trifft also »ins Herz«, wenn sie seit 28. März 2020 mit mannigfaltigen »Fahnenmeeren« aufspaziert die in den Farben der Länder der Erde im Winde wehen.
Deutsche Renaissance
In kultureller Hinsicht gehe ich fest von einer Renaissance der deutschen Sprache und traditioneller deutscher KunstKulturformen aus – womögich in moderner Neukombination –, weil das Deutsche seit Jahrzehnten so dermaßen unterrepräsentiert ist, mehr noch, höhnisch verlacht wurde, dass es ab jetzt »cool« (besser: warm) werden wird. Dies allerdings nicht nur als Folge einer berechenbaren Dialektik, einer Überfälligkeit, die umwerfend ist, wie es etwa der Siegeszug des nicht nur sprichwörtlichen Rock’nRolls ab den 1950er Jahren war – sondern vor allem wegen: Der Seele. Die liegt bei Weitem tiefer als die Arithmetiken von Produktion, Handel und Devisenmärkten. Das Aufblühen Deutschlands wird ein Abdruck der überfälligen wirtschaftlichen und administrativen Emanzipation von den USA und vor allem deren Militärisch-Industriellen Komplex (Eisenhower) sein. Die USTruppen und PR-Agenturen dürfen endlich nachhause gehen. Das haben sie verdient.
Wechselkurs! Dass einige deutsche Bürger mit ihren drei Mietswohnungen und ihren paar hunderttausend Kröten auf den Anlagekonten fortwährend behaupten, sie seien ausgerechnet seit der Corona-Lüge auf dem Weg in die »DDR 2.0« – und jeden Moment könne ihre bahnbrechende Kompetenz schlecht vergütet und zwischen grauen Mauern eingesperrt werden –, zeugt hingegen ausschließlich vom schlechten Geschmack einer Bürgergeneration, die nicht nur schlecht im Kindermachen war, sondern auch noch unglaublich viel über Sex redete, während der »Laden vor die Hunde ging«. (Mehr zu diesem Themenkreis Seiten 11, 12 und 13)
Anselm Lenz ist seit 25 Jahren Journalist im Deutschland der Gegenwart und darüber hinaus. Als Buchautor verfasste er unter anderem das Vorwort zur Neuübersetzung von Oscar Wildes »Die Sele des Menschen im Sozialismus« (Edition Nautilus, Hamburg 2017).