DW: Herr Sellner, seit Jahren werden »die Völkischen« von der Regenbogenpresse zu einer Art Endgegner stilisiert. Hat Maximilian Krah taktiert, als er kürzlich öffentlich die Luft rausließ, indem er sich vom alten und weithin üblichen Konzept des Ius Sanguinis verabschiedete?
Sellner: Ja, auf jeden Fall. Aus meiner Sicht kann das nur taktisch motiviert sein. Denn das, was Maximilian Krah heute als verfassungsfeindlich bezeichnet, entsprach im Kern genau jenen Positionen, die er noch in seinem Buch »Politik von rechts« vertreten hat: Leitkultur, Anpassungsdruck und freiwillige Anreize zur Remigration.
Zerfall in konkurrierende Volksgruppen
DW: Krah legt nun nahe, sich in neuen Siedlungsgemeinschaften zusammenzufinden. Ist diese Tribalisierung des Raumes und der Öffentlichkeit nicht auch exakt die Zielrichtung des Regimes, also die Auflösung aller Völker in zersprengten und zwangspädagogisierten Communities?
Sellner: Ich vermute, dass er sich strategisch neu ausrichten will. Sein Konzept eines Binnenethnopluralismus oder Vielvölkerstaats scheint mir ein Versuch zu sein, die Abkehr von der Remigration einem rechten Publikum schmackhaft zu machen. Die Idee: In freiwilligen, privatwirtschaftlich organisierten Reservaten soll die deutsche Kultur weiterbestehen – toleriert vom Staat, solange man akzeptiert, dass es daneben auch islamische, selbstverwaltete Gruppen gibt. Ein solcher Vielvölkerstaat aber wäre in der Realität nicht mehr demokratisch regierbar. Wie Sie richtig sagen, er wäre von außen manipulierbar, politisch fragmentiert und würde zwangsläufig in einen Neoföderalismus, eine autoritäre Struktur oder schlimmstenfalls in einen Bürgerkrieg münden.
DW: Das zieht Fragen nach sich. Wie sollen sich die Völker, einmal zu Stämmen, Dörfern und Communities gestutzt, jemals basisdemokratisch neu verfassen können? Ist die Zukunft der Staatsbürgerschaft womöglich überterritorial? Und wie sollte in einem solchen Fall Verfassungstexten dann auf Erden noch Geltung verschafft werden?
Sellner: Ich bin hier genauso ratlos wie Sie. Krah will offenbar keine ethnische Föderation nach dem Modell der Apartheid – ihm ist bewusst, dass dies verfassungsrechtlich gar nicht möglich wäre. Stattdessen sollen sich die verschiedenen ethnischen Communities selbst organisieren und verwalten. Der Staat, möglichst libertär zurückgefahren, würde sich aus diesen inneren Angelegenheiten heraushalten. Doch genau das würde zu einem Zerfall in konkurrierende Volksgruppenparteien führen – mit libanesischen oder, im schlimmsten Fall, südafrikanischen Zuständen für die einheimischen Deutschen. Ich gestehe: Sollte das deutsche Volk eines Tages tatsächlich zur Minderheit im eigenen Land werden, während sich fremde, nicht integrierte Parallelgesellschaften mit eigenen Loyalitäten verfestigen, könnte ein solches Szenario realistisch werden. Dennoch glaube ich: Krah gibt den Kampf zu früh auf. Und das Konzept, das er an die Stelle von Leitkultur und Remigration setzen will, ist – freundlich formuliert – unausgegoren.
DW: Herr Sellner, wir danken Ihnen für Ihre Antworten. (Die Fragen stellte Anselm Lenz)