DW: Könnten Sie sich den Lesern einmal vorstellen?
Jens Kaufmann: Wir kommen aus Rostock und sind dort in der Friedensbewegung Rostock seit der sogenannten Corona-Pandemieaktiv. Zur Jahreswende 2021 zu 2022 warRostock der Hotspot in Deutschland, was die Montagsdemos anging. Drei Mal in Folge die größte Montagsdemo mit erst 10.000, eine Woche später 17.000 und dann 33.000 Menschen, welche in Rostock gegen die politischen Maßnahmen im vermeintlichen Kampfgegen Corona auf der Straße waren. Außerdem haben wir ab Februar 21 für die Einrichtung einer wöchentlichen, öffentlichen Fragerunde vor dem Rathaus demonstriert und wurden dabei 54-mal vom damaligen Oberbürgermeister Madsen ignoriert. Für ein diesbezügliches Bürgerbegehren haben wir über 5.100 Unterschriften in Rostock gesammelt,4.000 wären notwendig gewesen. Das Volksbegehren wurde für unzulässig erklärt. Im nächsten Schritt habe ich mich aus der Friedensbewegung heraus als Oberbürgermeisterkandidat zur Wahl im Herbst 2022 gestellt. Rostock war wahrscheinlich die einzige Stadt in Deutschland, die nach dem erschreckenden Panzerlieferbeschluss des damaligen Bundeskanzlers Scholz täglich eine Friedensmahnwache durchgeführt hat.
DW: Täglich?
J. K.: Ja, täglich, elf Wochen lang jeden Tag und dann wöchentlich. Wir machten die Erfahrung, dass viele Menschen sehr gerne etwas für den Frieden unterschreiben wollten. Wir machten dabei auch die Erfahrung, dass immer zu merken ist, auf Grundlage welcher Medien die Menschen ihre Meinung aufbauen. Letztlich haben wir so in Rostock in den letzten 5 Jahren im Kleinen alles erlebt, was in Deutschland im Großen passiert ist.
DW: Nun haben Sie die Initiative»1.000.000 Stimmen für den Friedengestartet«, was ist das?
Anja Lues: Aus all dem eben Beschriebenen stellen wir uns immer wieder neu die Frage, was können wir Menschen tun, um den Forderungen nach einer deutschen Kriegstüchtigkeit und der Installierung einer Kriegswirtschaft in diesem Land ein kraftvolles Zeichen des Friedens entgegenzusetzen. Mit den Mitteln von Kriegsrhetorik und Kriegspropaganda der Öffentlich-Rechtlichen Medien soll unser Land und damit in Europa ein drittes Mal in Kriegsbegeisterung versetzen. Das will kein Vater, keine Mutter und auch Großeltern wollen das nicht. Wurde unser Volk aber gefragt? Nein. Durfte der Souverän über Waffenlieferungen und die neue Militarisierung Deutschlands abstimmen? Nein.– Man erzählt uns aber, wir würden das in Deutschland mehrheitlich so wollen. Wie aber können wir denn unseren Volksvertretern schwarz auf weiß beweisen, dass die Mehrheit der Menschen in diesem Land diese selbstzerstörerische Politik nicht will? Unsere Lösung: Wir machen einfach unsere Volksabstimmung selbst, überall in Deutschland. Und genau damit beschreiten wir Menschen in diesem Land einen Weg, der das Ziel hat, Deutschland zum Friedens- und Diplomatieland ersten Ranges auf dieser Welt zu machen – wenn wir alle es wollen.
DW: Wie kann man sich das vorstellen?
J. K.: Stellen wir alle uns dieses Bild einmal vor: Überall in unserem Land, in der Fußgängerzone, auf den Marktplätzen stehen plötzlich Menschen mit dem leuchtenden orangen Banner: »1.000.000 Stimmen für ihren Wunsch nach Frieden«. Wir sprechen über Frieden und als Folge auch überjedes andere Thema. Demokratie, Freiheit, darüber, wie wir leben wollen. Wir haben es bei den Probeläufen in Rostock selbst erlebt: Das Thema Krieg-Frieden bewegt jeden Menschen. Liest Du die einfach formulierten sechs Forderungen vor, bleiben die Menschen stehen, hören zu, klatschen zum Applaus und unterschreiben. Viele atmen sichtbar auf.
DW: Ihnen ist also wichtig, dass es keine Online-Petition ist.
A. L.: Ja, denn dann hat der Frieden ein menschlich konkretes Gesicht in der Öffentlichkeit. Er wäre nicht mehr anonym oder digital. Die vielen, mit dieser Politik unzufriedenen Menschen fühlen sich plötzlich gehört, sichtbar und wichtig. Sie finden Gleichgesinnte. Die Resignation über diese gefährliche Politik hört auf. Und wir führen tolle Gespräche. Es sprudelt nur so aus den Menschen heraus. Sie wussten bisher nur nicht, wohin mit Ihrer Angst, Sorge oder auch Wut.
DW: Stehen irgendwelche Großorganisationen hinter Ihnen, wie Parteien oder Stiftungen?
J. K.: Nein, das haben wir in den letzten fünf Jahren nie gebraucht. Wie vieles in den letzten Jahren basiert diese Idee auf gesundem Menschenverstand und der Fähigkeit, groß oder anders zu denken, strategisch und taktisch kluge Dinge zu tun und uns nicht im Klein-Klein der politischen oder weltanschaulichen Verschiedenheiten zu verlieren.1.000.000 Stimmen für den Frieden …, wenn ich das einmal veranschaulichen darf: Das sind 32 km Wäscheleine mit den Unterschriften, wenn auf einem Blatt zehn Unterschriften stehen. Das sind 16-mal die Strecke vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule.
DW: Sie formulieren hier also einen Aufruf an die Demokratie- und Friedensbewegung.
A. L.: Wir wollen gemeinsam ein bundesweites Projekt zu starten – am Mainstream vorbei. Genau deshalb rufen wir alle Initiativen, Bündnisse, Gruppen und Menschen bundesweit auf, nicht nur diese Initiative mit der eigenen Unterschrift zu unterstützen, sondern selber vor Ort sichtbar zu werden. Niemand muss von seinem eigenen Projekt etwas aufgeben. Haben wir alle Erfolg, dient die als eine Blaupause für alles, was wir unserer Gesellschaft noch verbessern wollen. Wenn wir eine Million Stimmen für den Frieden schaffen, dann geht noch viel, viel mehr. Und das Thema Frieden ist derzeit zentral, denn gewinnen die Kräfte des Krieges, kann sich keiner mit dem anderen über seine vermeintlich komischen Ansichten unterhalten, streiten oder was auch immer. Auch die vielen großartigen Einzelprojekte unserer Bewegung wären obsolet. Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist eben alles nichts.
DW: Wie kann man sich bei Interesseinformieren und beteiligen?
J. K.: Offiziell gestartet haben wir diese Initiative am 24. Mai 2025 in Berlin. Jeder kann sich auf der Internetseite www.eine-Million-Stimmen-fuer-den-Frieden.de über alles informieren. Jeder kann dort sofort die im ersten Schritt formulierte 6 Forderungen lesen, dort ein Einzel-Abstimmungsformularherunterladen, ausfüllen und uns zusenden. Man kann dort auch sehen, mitwelcher Geschwindigkeit sich diese Initiative bereits über ganz Deutschland ausgeweitet hat, welche Dynamik sie bereits nach nur wenigen Wochen gewonnen hat. Das ist einfach beeindruckend. Aber ja, wir sind noch nicht bei eintausend Orten. Insofern also abschließend nochmal der dringende Aufruf an alle: Nehmt über das Kontaktformular auf der Internetseite Kontakt zu uns auf. Alles ist vorhanden, erprobt und sofort nutzbar. Ein Tisch, ein Banner oder Schild und los geht’s.
DW: Vielen Dank für das Gespräch. Credit: Anja Lues (Mitte) und Jens Kaufmann (re.) bei der Großdemonstration am 24. Mai 2025 in Berlin.