Der Veranstalter einer Kabarett-Show streicht einen Künstler aus seinem Programm. Das Gericht versagt ihm das Ausfallhonorar, weil er sich für die »falsche« Partei engagiert. Ein Lehrstück übelster Gesinnungsjustiz.
Mögen die Entgleisungen korrigiert werden!
Cancel Culture und das Amtsgericht Rendsburg
KOLUMNE RECHTSSTAAT
Von Prof. Dr. jur. Martin Schwab
Der Fall, den ich heute vorstelle, ist nicht mehr ganz aktuell: Es geht um ein Urteil des Amtsgerichts Rendsburg vom 4. November 2022, Aktenzeichen: 44 C36/22. Ich habe den Fall auch nicht selbst vertreten. Aber was ich in dem Urteil lese, verstärkt meinen Eindruck, dass meine Vorlesungen an der Uni längst keine akademischen Lehrveranstaltungen mehr sind, sondern akademische Märchenstunden.
Ein Künstler war für den 15. Januar 2022 für einen Kabarett-Abend engagiert worden. Im Dezember 2021 sagte der Veranstalter den Auftritt ab, weil der Künstler sich weigerte, darüber Auskunft zu erteilen, ob er gegen COVID-19 geimpft oder hiervon genesen sei. Die Klage des Künstlers auf Zahlung des Ausfallhonorars blieb vor dem Amtsgericht Rendsburg ohne Erfolg. Denn der Künstler sei selbst daran schuld, dass er nicht habe auftreten dürfen.
Dies ergebe sich zwar nicht schon daraus, dass er dem Veranstalter keine Auskunft zu 2G erteilt habe, wohl aber daraus, dass er sich von der Basisdemokratischen Partei Deutschlands (Die Basis) als Kandidat für die Wahl zum Deutschen Bundestag habe aufstellen lassen. Der Künstler habe es versäumt, auf die Interessen des Veranstalters angemessene Rücksicht zunehmen, »weil er öffentlich in exponierter Stellung für eine extremistische Splitterpartei (Die Basis) aufgetreten ist.« Wie das Gericht zu der Bewertung der Partei Die Basis als »extremistisch« gelangt, wird nicht deutlich – auch nicht im nachfolgenden Absatz der Urteilsbegründung, in dem es wie folgt heißt: »Wenn - wie hier -der Veranstalter den überwiegenden Teil des wirtschaftlichen Risikos der Veranstaltung trägt (Ziffer 2 des Vertrages), kann der Veranstalter erwarten, dass sich der Künstler in seinem privaten Leben zumindest einer solchen politischen Betätigung enthält, die große Teile der Bevölkerung als extremistisch und der freiheitlich demokratischen Grundordnung zuwiderlaufend empfinden.
Denn bei einem solchen Künstler werden weit weniger Personen bereit sein, sich eine Karte für die Veranstaltung zu kaufen, als dies bei einem/r politisch neutralen Künstler*in der Fall ist. Die Tätigkeit für die Partei Die Basis, die – was allgemein bekannt ist – Ausfluss der sogenannten Querdenken-Bewegung ist, stellt ein derartiges Verhalten dar.« DieserPassus in der Urteilsbegründung wirft viele Fragen auf:
(1) Aufgrund welcher Erkenntnismethoden ist das Gericht zu der Feststellung gelangt, dass weite Teile der Bevölkerung Die Basis als extremistisch und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zuwiderlaufend empfinden? Ich bin selbst Mitglied dieser Partei, habe bei zwei Wahlen für sie kandidiert und dabei die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen Die Basis überhaupt nicht kennen. Richtig ist nur, dass Die Basis massivem manipulativen Framing in den Konzernmedien ausgesetzt ist. Offenbar hat das Gericht das dadurch erzeugte Vorverständnis kritiklos übernommen, ohne die Manipulation zu erkennen, geschweige denn zu hinterfragen.
(2) Dieser Eindruck verstärkt sich bei derAussage, Die Basis sei Ausfluss der Querdenken-Bewegung, und das soll auch noch allgemein bekannt (also eine offenkundige und daher nach § 291 ZPO nicht mehr beweisbedürftige Tatsache?) sein. Weder wird die Querdenken-Bewegung näher umrissen, noch wird die organisatorische Verbindung zur Basis präzise beschrieben, geschweige denn belegt. DieUnschärfe der Kampfbegriffe in den Propagandamedien findet hier ungefilterten Eingang in ein staatliches Gerichtsurteil. So etwas darf einfach nicht passieren!
(3) Der erkennende Richter scheint aber auch sonst gehorsam mit dem Strom zu schwimmen. Das Gender-Sternchen legt davon beredt Zeugnis ab.
Demgegenüber ist daran zu erinnern: Die Basis steht ebenso unter dem Schutz des Art. 21 GG wie alle anderen Parteien. Ausgenommenvon diesem Schutz sind nur diejenigen Parteien, die nachweislich nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und deshalb vom Bundesverfassungsgericht verboten wurden. Wenn der Veranstalter verhindern wollte, dass Mitglieder einer bestimmten Partei bei ihm auftreten, musste er dies ausdrücklich im Vertrag festlegen.
Im Streitfall enthielt der Vertrag tatsächlich eine Klausel, dass der Veranstalter dem Künstler Mitteilung zu machen hatte, wenn auf der Veranstaltung für »politische Interessen, Produkte oder Firmen« geworben werden sollte. Der Künstler wollte ersichtlich vermeiden, vor irgendeinen Karren gespannt zu werden.
Warum also hatte der Veranstalter nicht seinerseits darauf bestanden, dass der Künstler ihm ein eventuelles öffentlich sichtbares politisches Engagement mitteilt? Dem Vernehmen nach hat der Künstler gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Mögen die Entgleisungen, die sich derAmtsrichter in Rendsburg geleistet hat, in der zweiten Instanz korrigiert werden!
Foto: DW/Georgi Belickin. Demonstrant der Kundgebung und des Gedenkmarsches der Demokratiebewegung durch Berlin am Samstag, dem 25. März 2023 (NichtOhneUns.de).
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