SPIEGEL-AFFÄRE: VERZERRUNG!
Von Prof. Giorgio Agamben
Dass das Nachrichten-Heft Der Spiegel
kürzlich 2,3 Millionen Euro von der Stiftung des Tech-Gurus und Milliardärssöhnchens Bill Gates bekommen hat, ist
unbestritten.
Doch die somit eindeutig nicht unabhängige Redaktion des Hamburger
Magazins warf dieser Wochenzeitung
indirekt vor, Professor Giorgio Agamben, seines Zeichens weltbekannter
Philosoph und Kritiker der Biopolitik,
fälschlich als Co-Herausgeber zu nennen. Agamben stell im Folgenden klar,
dass sein Interview vom Spiegel sinnentstellend abgeändert worden sei —
dies ließ der Spiegel einfach weg:
»Der DEMOKRATISCHE WIDERSTAND hat das uneingeschränkte Recht,
eine Einschätzung der Pandemie zu
Papier zu bringen. In dem Ausnahmezustand, in dem wir leben (und der in
Italien besonders stark ausgeprägt ist,
wo die Regierung eine Kommission ins
Leben gerufen hat, die entscheidet, was
als Wahr und was als Falsch eingeordnet werden muss) ist es absolut wichtig, dass die Meinungsfreiheit erhalten
bleibt.
Das bedeutet, dass die Zeitung DEMOKRATISCHER WIDERSTAND — dessen
Titel auf eines der Rechte in der deutschen Verfassung verweist — das Recht
hat, seine Einschätzung der gegenwärtigen Situation darzulegen. Die Tatsache,
dass rechtsradikale Aktivisten ähnliche
Einschätzungen der Lage haben, ist
kein Einwand gegen dieses Recht. Um
auf Ihre weiterführende Frage [aus der
Berliner Redaktion] einzugehen. Eine
verantwortliche Antwort [auf die Krankheit, die Regierungsmaßnahmen] kann
sich nur auf die konkrete Situation in
jedem einzelnen Land beziehen.
In Italien, wo sämtliche konstitutionellen Freiheiten ausgesetzt wurden, würde ich offen eine größere Protestbewegung, die sich gegen die Maßnahmen stellt, begrüßen. Die Maßnahmen wurden vorrangig getroffen, um die Verantwortung der Regierung zu verdecken, wie der Epidemie in der Lombardei begegnet wurde. - Ich habe keine Vorstellung davon, welche Rolle ich in der Prostestbewegung gespielt habe, aber ich weiß, dass es mehr als eine drohende Gefahr ist, dass die Pandemie zu einem Vorwand für Autoritarismus genutzt wird. - Der Sicherheits-Staat, in dem wir leben, ist ein Staat, in dem die Menschen „aus Gründen der Sicherheit – und jetzt der Medizin“ Einschränkungen der Freiheit akzeptieren, die niemals zuvor hingenommen wurden – nicht einmal im faschistischen Italien.«
Prof. Giorgio
Agamben, Venedig, 27.5.2020
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