Angriff auf Nordstream:

HEIZUNG GESPRENGT

Welche Folgen für Wirtschaft und Soziales hat der Angriff auf die Versorgungsleitungen in der Ostsee?

Von Hermann Ploppa

Wie DW und das Journalistenportal apolut.net aufdeckten: Die Versorgungsleitungen in der Ostsee wurden von den USA zerstört (#DW106 vom 30. September 2022). Die Folgen der Leckstellen aller vier Stränge der Erdgasleitungen Nord Stream für Wirtschaft und Umwelt in Zentraleuropa sind enorm. Doch während sich die US-amerikanischen Eliten mehr oder minder ungeniert dieser Freveltat rühmen, wurde der Botschafter der USA bislang noch nicht einmal von der Bundesregierung einbestellt.


Es ist ein Montag, es ist der 26. September 2022. Südlich der idyllischen dänischen Ostseeinsel Bornholm brodelt es, als hätte jemand drei riesige Brausetabletten ins Meer geworfen. Nur so viel ist zunächst klar: Der Sprudelstrudel stammt aus mittlerweile vier Leckstellen aus den vier Strängen der russisch-deutschen Erdgaspipeline Nordstream 1 und 2 (DW berichtete in #DW106 vom 30. September). 

Nordstream 2 war bislang noch gar nicht eröffnet worden. Nordstream 1 lieferte seit 2011 zuverlässig Gas nach Deutschland. Nach der völkerrechtswidrigen Intervention russischer Streitkräfte in die Ukraine kam Nordstream 1 allerdings immer mehr ins Stocken. Dann sollte ein Kompressor technisch gewartet werden. Doch Einzelteile verfingen sich in kanadischen Sanktionen. Dann wurde die Leistung zu zwanzig Prozent wieder hochgefahren. Doch seit August diesen Jahres ruht nunmehr der Durchfluss auf Initiative der Betreibergesellschaft Nord Stream AG komplett. Und Nord Stream 2 wurde auf Betreiben von Bundeskanzler Scholz bereits zwei Tage vor der russischen Intervention in der Ukraine, am 22. Februar dieses Jahres nämlich, die endgültige Zertifizierung verweigert. Die Verweigerung der Zertifizierung wurde mit der zu erwartenden russischen Intervention begründet. Sehr hellsichtig… 

Und während die Medien und auch die westlichen Geheimdienste noch immer mit Leidenschaft Blinde Kuh spielen und die Angelegenheit herunterspielen oder gar den Hauptgeschädigten, Russland nämlich, zum Zerstörer der Pipelines machen, brüsten sich die maßgeblichen Stellen in den USA, diesen ruchlosen Akt des Staatsterrorismus ausgeführt zu haben. Da versichert US-Präsident Joe Biden einer Reporterin bei einer Pressekonferenz, die USA würden Mittel und Wege finden, Nordstream zu zerstören, sollten »die Russen« auf die Idee kommen, die Ukraine zu überfallen. Und seine müden Greisenaugen blitzen noch einmal auf vor Genugtuung bei diesen Drohungen, während Bundeskanzler Scholz dabei steht und grinst wie eine gut gelaunte Schießbudenfigur.

 TRANSATLANTISCHER RUSSENHASS 

Und auch der amtierende US-Außenminister Antony Blinken macht aus seinem Herzen keine Mördergrube, wenn er erklärt: »Wir sind jetzt der führende Lieferant von Flüssiggas für Europa, um die Verluste von Gas und Öl auszugleichen. Es ist eine enorme Chance, Wladimir Putin das Druckmittel der Energie zur Durchsetzung seiner imperialen Pläne zu nehmen. Das ist sehr bedeutsam und bietet eine enorme strategische Chance für die kommenden Jahre.« 

Richtig erkannt vom amerikanischen Außenminister. Denn auf diese Weise ist Deutschland jetzt gleich dreifach erpressbar. Zum Einen von den USA durch die Lieferung extrem giftigen Fracking-Gases, durch dessen Förderung gerade die Ökosphäre Nordamerikas den finalen Genickschuss erleidet. Zum anderen dadurch, dass die einzigen verbliebenen Pipelines mit russischem Gas durch Polen und die Ukraine führen. Beide Länder fallen durch einen beim besten Willen nicht anders als pathologisch zu bezeichnenden Russenhass auf.

Der Hass der amtierenden Regierungen in Polen und der Ukraine richtet sich aber nicht nur gegen Russland, sondern genauso auch gegen Deutschland. Die einschlägigen Äußerungen des ukrainischen Botschafters in Deutschland, Andrej Melnyk, sind in dieser Hinsicht Zeugnis genug. Und während jetzt der Preis für Öl und Gas aufgrund der kriegerischen Ausschaltung der russischen Lieferanten in ungeahnte Höhen schießt, verarmen nicht nur deutsche Haushalte im Raketentempo. Auch die deutsche Wirtschaft ist nicht länger konkurrenzfähig. Die Lösung besteht darin, dass deutsche Premium-Marken ganz ungeniert in die USA abgeworben werden. Der deutschen mittelständischen Industrie stehen diese Optionen jedoch nicht offen. Sie werden, wenn sich nichts Grundlegendes an der jetzigen Konstellation ändert, kurz und kalt einfach abgewickelt. 

MASSLOSE UMWELTSCHÄDEN 

Und die sowieso schon malträtierte Umwelt? Wo bleiben jetzt Greenpeace, Nabu, BUND und das Vorzeige-Bambi, die Minderjährige Klima-Ikone Greta Thunberg? All diese Protagonisten des Umweltschutzes haben ihre Zentrale in den USA. Der BUND ist beispielsweise eine Filiale des Umwelt-Trusts »Friends of the Earth« (Deutsch: Freunde der Erde). All diese Organisationen führten große Kampagnen gegen die Unterwasser-Pipelines der Nordstream-Gruppe. Haben diese von Washington gesteuerten Umwelthüter nicht bemerkt, dass die Leckagen der Nordstream-Rohre eine gewaltige Umweltkatastrophe auslösen? 

Doch das ist auch für die angeblich so um das Klima besorgten Mainstream-Medien überhaupt kein Thema. Es gibt offensichtlich politisch korrekte Umweltzerstörung und politisch unkorrekte Umweltzerstörung. Gäbe es die Aufsichtsbehörde Icos (Integrated Carbon Observation System, eingebundenes Kohlenstoff-Überwachungssystem) mit ihren 140 Messstationen in 14 Ländern nicht, könnten wir die wahre Dimension dieser Umweltkatastrophe buchstäblich nicht ermessen. Diese Katastrophe ist nämlich schlimmer als die Deep-Water-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko im Jahre 2010. Das Icos sagt: »Das Leck entspricht schätzungsweise den Methanemissionen eines ganzen Jahres in einer Stadt von der Größe von Paris oder einem Land wie Dänemark.« Methan ist neben Lachgas einer der stärksten Klimakiller, etwa dreißigmal stärker als CO2 (Kohlendioxid). 

Wenden wir uns nun den genaueren Umständen der Sabotage von Nordstream zu. Alle Akteure sind sich einig, dass die Zerstörung der Pipelines nicht von terroristischen Kleingruppen ausgeführt wurde. Ein solches Verbrechen können nur staatliche Akteure ausführen. Sprich: Militär. Seit der Planung wurde bereits gegen Nord Stream von USA-Netzwerken agitiert. Richtig handgreiflich wurde diese Agitation aber erst unter US-Präsident Donald Trump, der aus seiner Abneigung gegen Deutschland nie ein Geheimnis gemacht hat. 

 Im Jahre 2019 peitschte Trump ein Gesetzespaket durch die beiden Häuser des Capitols in Washington. Am 20. Dezember 2019 unterschrieb Trump sodann das Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2. Finanzielle Transaktionen von Managern und Aktienhaltern von Nord Stream sind seitdem in den USA blockiert, und selbigen Managern und Aktienhaltern ist die Einreise in die USA verboten. Und im Gesetzestext sind die zugrundeliegenden kommerziellen Interessen der amerikanischen Fracking-Industrie ungeniert zum Ausdruck gekommen: »Die US-Regierung legt größten Wert auf den Export amerikanischer Energieträger und auf die Schaffung amerikanischer Jobs.«, heißt es dort wortwörtlich. 

Ausgerechnet der Ökonom Jeffrey Sachs, der verantwortlich zeichnet für die marktradikale Verarmungspolitik in Polen und Russland während der berüchtigten Jelzin-Jahre der 1990er, sagt jetzt in einem Interview für das Portal Bloomberg ganz offen: »Die (Zerstörung der) Nordstream Pipeline war, denke ich, eine Aktion der USA, vielleicht auch USA und Polen.« 

»ZUFÄLLIGES« US-MANÖVER

 Welch ein Zufall, dass im Sommer dieses Jahres mit Baltops-22 das größte Nato-Manöver seit dem Kalten Krieg in der Ostsee, und besonders im Raum Bornholm stattgefunden hat! Im Juni 2022 übten Flottenteile aus vierzehn Nato-Staaten genau jene Fertigkeiten, die für die Zerstörung einer Pipeline geeignet sind: Unter anderem U-Boot-Bekämpfung, Minenräumung und »Kampfmittelbeseitigung«. Aber auch nach dem Manöver blieben US-amerikanische Kriegsschiffe unter Führung der USS-Kearsarge nebst Hubschraubern in der Ostsee. 

Die Kearsarge war dann mal ins Mittelmeer aufgebrochen, und war dann plötzlich wieder in der Ostsee. Das ist Teil einer neuen Verwirrstrategie gegen die bösen Russen, wie westliche Militärs stolz verkündeten. Und so waren auch US-Kriegsschiffe im September im Raum Bornholm. Über FFAB-123-Radar-Verfolger ist auch für uns Zivilisten rekonstruierbar, dass sich im September immer wieder US-Hubschrauber der Sorte Sikorsky MH-60-R über den Nord-Stream-Röhren aufhielten. Dieser Hubschraubertyp ist ein Kampfhubschrauber, der sich im Irak-Krieg bestens »bewährt« hat. 

Vom MH-60-R können Geschosse unterschiedlichster Bauart abgeschossen werden. Ein Video der deutschen Marine zeigt einen Hubschraubereinsatz, bei dem Torpedos von Hubschraubern abgeworfen werden. Sobald diese Torpedos ins Wasser einschlagen, steuern sie zielsicher das vorher einprogrammierte Ziel an. Die letzten Einsätze der MH-60-R fanden am 25. und 26. September statt. Am 27. September wurden die Leckstellen dann entdeckt. Torpedos haben auch die erforderliche Durchschlagskraft, um den dicken Betonmantel der Röhren am Meeresboden zu durchschlagen. Und damit dann auch die Erderschütterungen auf der Richterskala auszulösen. 

Gibt es seitens des Westens irgendwelche professionell anmutenden Aktivitäten, den Fall möglichst rasch aufzuklären? Das Interesse an einer Aufklärung der Umstände dieses Staatsterrors hält sich in Grenzen. Der Bundesnachrichtendienst soll der Sache nachgehen. Doch handelt es sich beim BND bekanntlich um eine nach dem Krieg mit Nazi-Verbrechern vollgestopfte Filiale der CIA. Und dann soll das Minenjagdboot »Bad Rappenau« an den Leckstellen herumschnüffeln. Doch nicht-westliche Untersuchungsorgane dürfen den Tatort einstweilen nicht besuchen. Währenddessen kümmern sich die Behörden der Nato-Staaten Dänemark und Schweden um die Bewachung der Leckstellen.




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 107 am 07. Okt. 2022




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