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Der finale Suizid der deutschen Wirtschaft

Nach der Selbstverstümmelung im Sanktionskrieg gegen Russland: Wirtschaftsminister Robert Habeck will die Geschäfte mit China komplett beenden. | Von Hermann Ploppa

Von Hermann Ploppa

Habeck zeigte sich erschüttert durch die Xinjiang-Papers. Verschiedene westliche Medienhäuser hatten gemeinsam ein Dossier zu Menschenrechtsverletzungen in der muslimischen Provinz Xinjiang in Chinas äußerstem Westen veröffentlicht. Masseninternierungen und Umerziehungslager werden in den veröffentlichten Dokumenten in den grellsten Farben gemalt.

Der deutsche Auto-Weltmeister VW betreibt allerdings zusammen mit dem chinesischen Joint-Venture-Unternehmen SAIC eine Produktionsstätte in Xinjiang. Grund genug für Habeck, den Wolfsburgern staatliche Garantien für deren Investitionen im Reich der Mitte zu streichen.

Seit Jahrzehnten bürgt die Bundesrepublik Deutschland bereits für Direktinvestitionen deutscher Unternehmen in unsicheren Ländern dieser Welt. Vor allem die berühmten Hermes-Bürgschaften machten es möglich, dass deutsche Industrieunternehmen in Milliardenhöhe in der früheren Sowjetunion, in Ägypten oder eben auch in China Investitionen wagten.

Sollten die deutschen Investitionen aus welchen Gründen auch immer verloren gehen, muss der betroffene Konzern nicht gleich Konkurs anmelden, denn die Solidargemeinschaft der Steuerzahler kommt für die abgeschriebenen Verluste in der Fremde auf. Ohne diese Ausfallbürgschaften hätte der gesamte Osthandel oder auch der vom früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt angebahnte China-Handel nie stattgefunden.

MENSCHENRECHTE
MIT ZWEIERLEI MASS

Natürlich sind die von Habeck einseitig gegen deutsche Investoren in China verhängten Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen des Gastgeberlandes pure Heuchelei. Die Liste der Staaten, in denen deutsche Investoren mit deutschen Ausfallbürgschaften operieren und in denen es krasseste Menschenrechtsverletzungen gibt, ist lang. Doch Habeck will im Gleichschritt mit dem von der Grünen Annalena Baerbock geleiteten Auswärtigen Amt dem deutschen China-Handel den Garaus machen.

Sämtliche 11,3 Milliarden Euro an Investitionsgarantien deutscher Unternehmen in China sollen gestrichen werden. Oder zumindest ganz erheblich begrenzt werden. So klar ist das jetzt noch nicht. Zudem müssen alle Direktinvestitionen in China zukünftig beim Bundeswirtschaftsministerium brav angemeldet und genehmigt werden. Bis jetzt hatten nur die chinesischen Behörden einen exakten Überblick über das Ausmaß deutscher Direktinvestitionen. Und der arme Bundeskanzler Scholz, der von den übereifrigen Transatlantikern in seinem Kabinett gejagt wird, dozierte jüngst darüber, es gehöre zum Einmaleins der Wirtschaftskunde, dass man kein »Klumpenrisiko« erzeuge. Soll heißen: Es ist gefährlich, von den Wirtschaftsbeziehungen eines einzigen Landes wie China allzu stark abhängig zu sein. Das ist im Prinzip richtig.

Jedoch: Es steckt ein gehöriger Happen Ironie in der Geschichte. Denn tatsächlich nehmen die deutschen Direktinvestitionen in China gerade jetzt explosionsartig zu. Im Lockdown-Jahr 2020 befanden sich die deutschen Direktinvestitionen in einem historischen Tief mit nur 100 Millionen Euro, um schon ein Jahr später wieder auf 5,7 Milliarden Euro hochzuschnellen. Und jetzt wurden alleine im ersten Halbjahr 2022 bereits zehn Milliarden Euro von deutschen Unternehmen in China investiert!

Auch das Handelsvolumen von China und Deutschland ist bedeutend und betrug im Jahre 2021 245,97 Milliarden Euro. Und die Importe aus China sind im ersten Halbjahr 2022 bereits um 45,7 Prozent angestiegen. Damit ergibt sich ein Handelsbilanzdefizit von 41 Milliarden Euro gegenüber China. China ist definitiv der mit Abstand wichtigste Handelspartner Deutschlands. Was eine Abkoppelung von diesem wichtigen Markt für Deutschland bedeutet, lässt sich nach den jetzt schon verheerenden Folgen der Abkoppelung vom wesentlich weniger bedeutenden Handelspartner Russland erahnen. Es braucht doch niemand zu glauben, dass Länder wie Vietnam, Taiwan, Malaysia oder Kambodscha die chinesische Lücke auch nur mittelfristig stopfen könnten. Der Ruin deutscher Schlüsselindustrien wäre vorprogrammiert.

Die Volkswagen AG verkauft schon seit vielen Jahren mehr Autos in China als in Deutschland. Betroffen wäre auch die chemische Industrie, allen voran BASF. Die Ludwigshafener bauen gerade für zehn Milliarden Euro eine gigantische Anlage in Zhanjiang, in der aus Rohöl Naphta hergestellt wird. Der Strom für dieses Verfahren stammt übrigens aus erneuerbarer Energie. BASF-Chef Brudermüller kommentiert Habecks Rückzugsbefehl diplomatisch: »Es ist schwierig zu sagen, man nehme daran nicht teil.«

ALS LAKAI DER USA
IN DEN ABGRUND

Deutlicher äußert sich da schon der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen Dirk Jandura: »Ein sofortiger und kompletter Rückzug aus China ist aus volkswirtschaftlicher Sicht aktuell nicht möglich. Die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind im Falle Chinas um ein Vielfaches höher als bei Russland.« Und Markus Jerger vom Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) sagte dem Handelsblatt: »Ein globaler Handel ohne China ist schwer vor- und darstellbar, denn schon heute leiden weltweit Unternehmen und Konsumenten unter den weiter zunehmenden Lieferengpässen.«

Nun ja, das sind die direkten Interessenvertreter gewisser Abteilungen unserer Wirtschaft. Wir leben aber in einer sogenannten »Verbände-Demokratie«. Über den Interessenverbänden stehen jedoch die Interessenvertreter einer geopolitischen Agenda der USA. Stellvertretend für diese Kreise beklagen das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und die Stiftung Wissenschaft und Politik unablässig die Investitionsfreude deutscher Unternehmer in den bösen Staaten Russland und China. Der IW findet es »verständlich, dass sich Politik und Wirtschaftsvertreter in Deutschland seit Längerem dafür aussprechen, die Abhängigkeit von China zu verringern. Unverständlich dagegen ist, dass die deutschen Unternehmen genau gegenteilig handeln.«

Hier muss noch viel Druck ausgeübt werden, um die deutschen Unternehmer zum Selbstmord zugunsten eines Krieges der USA gegen China zu bewegen. Zum Beispiel um den Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) Thilo Brodtmann auf Linie zu bringen, der den Rückzug aus China für seine Klientel rundweg ausschließt: »Dafür ist der Markt viel zu groß und zu wichtig.« Punkt.

Währenddessen werden die Reihen um die USA herum fest geschlossen. Nach den Provokationen der Senatssprecherin Nancy Pelosi in Taiwan wird dieser Inselstaat jetzt massiv von den USA aufgerüstet. Und die deutsche Fregatte »Bayern« unserer Bundesmarine schipperte munter im Fahrwasser der amerikanischen Flotten im südchinesischen Meer herum. Weitere deutsche Beteiligungen am amerikanischen Krieg gegen den Herausforderer China sind in Arbeit.

Ach, übrigens: das Handelsvolumen zwischen den USA und der Volksrepublik China erreichte im Jahre 2021 mit 657,4 Milliarden US-Dollar einen neuen historischen Höchststand. Wir merken uns: »America First!«




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 103




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