Der neue starke Mann der CDU: Friedrich Merz fährt im Schlafwagen aus Deutschland in die kriegsgeplagte Ukraine. Er berichtet seiner Twitter-Fangemeinde: »Es ist schön, in diesem Land zu sein. Alles sicher, alles gut, und die ukrainischen Behörden sind äußerst kooperativ.« Natürlich trifft unser
Merz auch Wolodomyr Selenskyj: »Das Gespräch war atmosphärisch
und inhaltlich außergewöhnlich gut.« Mehr brauchen wir für heute nicht zu wissen. Oppositionsführer Merz als Staatsmann.
Natürlich hat er sich im Vorfeld mit dem noch amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz abgestimmt. Weniger staatsmännisch greift Merz dann zwei Wochen später Titelverteidiger Scholz frontal an. Merz ist wütend. Denn Scholz liefert nicht schnell genug schweres Geschütz an die lodernde Ostfront: »Es gibt ganz offensichtlich in der Bundesregierung Verzögerungsstrategien, zumindest eine Verzögerungstaktik.« Ein »Herumschwurbeln um die Themen« – das sei der Sache einfach nicht angemessen. Es gibt bereits »öffentliche Beschwerden von Rüstungsunternehmen«. Und Herr Scholz soll doch endlich mal selber nach Kiew fahren.
Da spricht ER, der marktradikale Erlöser aus Brilon im Hochsauerlandkreis. Friedrich Merz wird kurzen Prozess machen mit den kärglichen Resten des Sozialstaats. Mit dem Gemeinwohl. Mit dem Nationalstaat als letztem Großorganismus, der den unersättlichen Globalkonzernen noch Paroli bieten könnte. Dieser Aufwasch des öffentlichen Raums ist schon lange eingefädelt. Und es fehlt eben nur noch einer wie Friedrich Merz, um dafür die Galionsfigur abzugeben. Dabei wollten die Mitglieder der CDU diesen Merz eigentlich ums Verrecken nicht haben. Als Merz 2018 CDU-Vorsitzender werden wollte, gaben die Christdemokraten demonstrativ dem politischen Leichtgewicht Kramp-Karrenbauer den Vorzug. Und 2020 hauten die CDU-Mitglieder dem Friedrich Merz den laschen Laschet um die Ohren. Doch 2021 mussten sie den Merz dann doch notgedrungen wählen. Die beiden Nobodies Röttgen und der ebenso beliebte wie beleibte Helge Braun: das wäre einem politischen Selbstmord gleichgekommen.
IM AUFTRAG DER
US-OLIGARCHEN
Die Schluckbeschwerden der christdemokratischen Basis erklären sich daraus, dass Merz allzu ungeniert die Interessen der verhassten Superreichen vertritt. Nicht nur, dass Merz zwei flotte Privatjets sein Eigentum nennen darf. Das ginge ja vielleicht noch an. Aber Friedrich Merz war von 2016 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender von Blackrock Deutschland. Lange Zeit konnte die größte Vermögensverwaltungsgesellschaft der Welt unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit agieren (Seite 10). Doch seit etwa einem halben Jahrzehnt ist nun Blackrock Synonym für Volksenteignung und skrupellose Reichtumsvermehrung der sowieso schon Superreichen dieser Welt.
Friedrich Merz war 2002 von seiner Rivalin Angela Merkel aus der Politik gemobbt worden. Seitdem vertrat Merz von 2009 bis 2020 die Interessen der US-amerikanischen Oligarchen in Deutschland als Präsident der Atlantikbrücke. Während jedoch die Atlantikbrücke.soziale Kontakte stiftet, sorgt die Rechtsanwaltskanzlei Mayer Brown unter anderem für die Abwicklung der Privatisierung öffentlichen Eigentums in private Konzernhände. Merz stieg bei der Kanzlei ein und wurde dort Miteigentümer. Die Reste des deutschen Kohlebergbaus waren in der Ruhrkohle AG vereinigt worden. Merz und seine Freunde besorgten den lukrativen Gang an die Börse und die nachfolgende Umwandlung der RAG in das Konglomerat Evonik. Als Sozius von Mayer Brown begleitete Merz den Verkauf der einstmals dem Volk gehörenden West Landesbank (WestLB) an private Investoren. Diese Enteignung durch Mayer Brown wurde vom Land Nordrhein-Westfalen mit elf Millionen Euro Steuergeldern als Honorar an eben diese Kanzlei verzuckert.
Merz bekam dabei 5.000 Euro Honorar pro Tag und war nach dieser Volksenteignung um 1,9 Millionen Euro reicher. Auch an der Privatisierung des Flughafens Köln-Bonn war Merz als Aufsichtsratsvorsitzender beteiligt, als er den bisherigen Geschäftsführer kurzerhand feuerte. Friedrich Merz war nämlich im Jahre 2017 von der nordrhein-westfälischen Landesregierung unter Laschet zum hochdotierten Chefberater für die Folgen des Brexit für das große Bundesland ernannt worden. Dabei wurde dann auch noch die effiziente und unbestechliche Wuppertaler Behörde für Steuerfahndung mal eben ersatzlos aufgelöst.
Zweifelsohne war Merz für Blackrock eine nützliche Anschaffung. Denn die Tagesschau weiß zu berichten: »Spätestens seit 2018 stand Merz für Blackrock dann auch regelmäßig in Kontakt mit der Spitze des Bundesfinanzministeriums, führte dort auch gemeinsam mit Konzernchef Fink Gespräche zu aktuellen Finanzmarktfragen.« Finanzminister war damals Olaf Scholz. Dazu muss man wissen, dass schon seit den Zeiten von Kanzler Schröder Banken und Konzerne eigene Mitarbeiter im Finanzministerium implantieren, die Gesetze im Sinne ihrer privaten Brötchengeber schreiben, die dann von Parlament und Ministerialbürokratie eins zu eins abgenickt werden.
SOZIALSTAAT SOLL KOMPLETT
ABGESCHAFFT WERDEN
Friedrich Merz macht ja auch weiß Gott aus seinem Herzen keine Mördergrube. In zahlreichen Interviews und Büchern hat er seine marktradikale Programmatik immer wieder ungeniert kundgetan. Kostproben gefällig? »Die Gewerkschaften müssen sich aus den Betrieben spürbar zurückziehen.« Soll heißen: keine Tarifverträge. Mitbestimmung ist Igitt; »Fremdbestimmung«, »Sumpf«: »Wenn man einen Sumpf austrocknen will, darf man nicht die Frösche fragen.« Mindestlohn gehört ebenso abgeschafft wie der gesetzliche Kündigungsschutz. Stattdessen Verlängerung der Arbeitswoche auf 42 Stunden. Und diese viel zu hohe Sozialhilfe kann man ruhig auf einen Betrag von 132 Euro absenken. Das muss reichen.
Der Spitzensteuersatz muss deutlich unter 40 Prozent gesenkt werden. Der Staat muss aus dem »Würgegriff der Sozialausgaben« befreit werden. Statt öffentlich-rechtlicher Rente möchte Merz gerne die »aktienbasierte Altersvorsorge« sehen, möglichst im Portfolio von Blackrock. Gesetzliche Krankenversicherungen sollen höchstens noch eine »Basisversorgung« liefern. Wozu brauchen Sie eigentlich öffentlich finanzierten Zahnersatz? Und wer studieren will, soll gefälligst eine Privat-Uni nach amerikanischem Vorbild besuchen, mit mindestens 1.000 Euro Studiengebühren im Jahr. Ja, und gegen China und Russland müssen wir natürlich ganz tüchtig aufrüsten.
Womit sich der Kreis wieder schließt. Spätestens seit Corona-Kampagne und Ukraine-Krieg hat sich die Schere zwischen arm und reich noch viel weiter aufgetan. Der Staat ist in dieser Zeit massiv weiter in den Bankrott getrieben worden. Es fehlt jetzt nur noch der Messias, der die Menschen für ihre eigene Entmündigung und Enteignung bereit macht. Der die Insolvenz des Staates mithilfe vonMayer Brown und von Blackrock konsequent und kompetent begleitet.