Der bekennende Corona-Maßnahmen-Kritiker und Impfpflicht-Gegner gehört zu den Hoffnungsträgern der Freiheitsbewegung. Grund genug für ein exklusives DW-Interview mit dem 54-Jährigen.
Ausführlich vorstellen muss man ihn nicht mehr: Prof. Dr. Martin Schwab, Rechtswissenschaftler und seit Oktober 2015 Professor an der Universität Bielefeld, ist ein ehrlicher, herzlicher, witziger und hochintelligenter Mensch und dementsprechend sehr beliebt.
In den mehr als zwei Jahren Corona-Krisenpolitik sind Millionen von Menschen nach und nach aufgewacht. Wann war Ihnen klar, dass irgendwas faul ist?
Prof. Martin Schwab: Ein Störgefühl hatte ich von Anfang an, weil die Medienberichterstattung nur in eine Richtung ging. Bei derartigen Grundrechtseinschränkungen hätte ich einen harten Diskurs und leidenschaftliche Kontroversen erwartet, doch davon war nichts zu spüren. Heute weiß ich mehr denn je, dass ich mit meinem ersten Eindruck richtig lag. Ich bestreite nicht, dass von Corona eine Gefahr ausgehen kann, aber ich habe mehr Angst vor unberechtigter Quarantäne als vor dem Virus.
Jemand, den Sie aus Ihren Studienzeiten gut kennen, ist Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Am 11. März haben Sie bei einer Demo in Karlsruhe, die von den Anwälten für Aufklärung organisiert wurde, in einer Rede mächtig gegen ihn ausgeteilt...
Wir haben beide 1998 von unserem Doktorvater Peter Hommelhoff unsere Promotionsurkunden entgegengenommen. An seiner juristischen Qualifikation besteht für mich kein Zweifel. Ich habe ihn lange sehr geschätzt. Aber wie das Bundesverfassungsgericht in der Coronakrise agiert, ist einfach nur gruselig.
Harbarth und Susanne Baer, Richterin des Ersten Senats, ließen sich am 30. Juni 2021 von Kanzlerin Merkel zum Abendessen einladen. Ein Befangenheitsantrag blieb erfolglos. Derartige Vorkommnisse hielt man bislang nur in Bananenrepubliken für möglich. Was ist in Deutschland passiert?
Es war ein klarer Fall von Besorgnis der Befangenheit. Die Wurzel des Übels ist die Juristenausbildung. Wenn man heute ein Jura-Studium beginnt, merkt man schnell, wie die juristische Kaste sozialisiert ist: Nach oben wird gebukkelt, nach unten getreten. Wenn man den Menschen erst das Vertrauen ins eigene Denkvermögen abgenommen hat, hecheln sie nach vorherrschenden Meinungen. Wenn sie später als Juristen in die Kreise der oberen Machthaber des Landes aufsteigen, kann es sein, dass sich da ein Gefühl entwickelt: »Wir
sind ein kleiner elitärer Zirkel, der alles untereinander ausmacht. Wehe, jemand wagt es, uns zu misstrauen.« Genau diese Sprache spricht aus dem Beschluss, mit dem der Befangenheitsantrag abgelehnt wurde. Dabei wird eines übersehen: Vertrauen ist eine Gemütsregung, die man weder voraussetzen noch einfordern, sondern allenfalls einwerben kann. Das gilt auch und insbesondere für die Justiz.
Im November billigte das Bundesverfassungsgericht wesentliche Teile der sogenannten Bundesnotbremse. Hatte es etwas von einer parteipolitisch motivierten Gefälligkeitsentscheidung?
Ob untauglicher PCR-Test, manipulierbare Inzidenz, krankmachende Maskenpflicht, freiheitsentziehende Ausgangsbeschränkungen: Das Problem ist, dass das Bundesverfassungsgericht die Grundlage der Pandemie-Erzählung nie hinterfragt und auch die Bedrohungslage nie angezweifelt hat. Grundrechte bekommen wir nicht vom Staat, wir haben sie von Geburt an. Es ist gesellschaftszersetzend, jeden Menschen als eine potenzielle Virenschleuder zu sehen. Das steht nicht im Einklang mit der Menschenwürde, die im Grundgesetz verankert ist.
Mal angenommen, Sie treffen Harbarth morgen zufällig im Supermarkt: Wie würde er wohl auf Sie reagieren?
Ich weiß nicht, ob er sich einer Diskussion mit mir stellen würde. Wenn er es täte, würde er mit Sicherheit sein Entsetzen über meine Rede zum Ausdruck bringen. Ich würde ihn fragen: »Stephan, ich habe dich anders kennengelernt. Was um Himmels Willen ist bloß aus dir geworden?«
Wie konnte er auf die schiefe Bahn geraten?
Das ist Küchenpsychologie. Fakt ist: Jemand wie er, der mit der zwischenzeitlich am Verfassungsgericht eingeführten 2G-plus-plus-Regel offen zu erkennen gab, dass ungeimpfte Menschen nicht mehr Teil unserer Gesellschaft sein sollen, darf nicht länger Hüter unserer Verfassung sein.
Haben wir noch ein funktionierendes Rechtssystem?
Unsere Justiz funktioniert nur noch da, wo es der Politik nicht wirklich wehtut, etwa wenn ich mit dem Nachbarn über die Höhe seiner Thuja-Hecke streite. Die Arbeitsergebnisse unserer Justiz in der Coronakrise sind bis auf wenige Ausnahmen eine Katastrophe. Das System versagt an der wichtigsten Stelle – bei der Kontrolle der Exekutive. Dabei ist die Gewaltenteilung Grundlage unserer demokratischen Ordnung, mit der ein Machtmissbrauch der Politik verhindert werden soll. Das Bundesverfassungsgericht schützt derzeit unsere
Grundrechte nicht vor einer übergriffigen Regierung.
Leben wir noch in einer Demokratie?
Sie ist in großer Gefahr. Wer in Deutschland die Regierung kritisiert, wandert zwar nicht ins Straflager, wird aber als Volksschädling, Schwurbler oder Verschwörungstheoretiker herabgewürdigt. Das darf in einer lebendigen Demokratie, deren höchstes Gut die Meinungsfreiheit ist, nicht sein. Da würde sich ein Staat niemals anmaßen, zwischen guter und schlechter Meinung zu unterscheiden und alles einzustampfen, was nicht ins Narrativ passt. Dass die Medien und Plattformen wie Facebook und Youtube dieses Spiel mitmachen, legt den Verdacht nahe, dass sie mit der Regierung unter einer Decke stecken. Das wäre das Ende der Demokratie, in der Medien immer der Wachhund der Öffentlichkeit über die Politik
sind – aber niemals umgekehrt. Bei der Debatte zur allgemeinen Impfpflicht im März erklärte Gesundheitsminister Lauterbach, die Ungeimpften würden das ganze Land in Geiselhaft nehmen. Diese Aussage erfüllt den Straftatbestand der Volksverhetzung. Es ist die Vorbereitung eines Pogroms. Man redet einen Sündenbock herbei, den man für das eigene Versagen verantwortlich machen kann. Am Anfang stehen Abwertung und Diffamierung, dann folgen soziale Ausgrenzung und finanzielle Vernichtung. Da drängt sich die bange Frage auf: Kommt da noch mehr? Wenn die Hetze in der Politik und den Altmedien nicht aufhört, schlittern wir in einen Bürgerkrieg. Aber egal was passiert: Wir, die Gegner von Lockdown
und Impfzwang, bleiben friedlich!
Eine Diskussionskultur gibt es in unserem Land nicht mehr wirklich. Was ist mit unserer Gesellschaft passiert?
Es hat sich bereits in der Flüchtlingskrise 2015 angedeutet: Schon damals wurde jeder, der berechtigte Fragen stellte, als Nazi geframed. Und heute? Die Propaganda hat die Gesellschaft krank gemacht. Das hätte ich in diesem Ausmaß nicht für möglich gehalten. Menschen, mit denen man auf gutem Fuß stand, wollen plötzlich nichts mehr von einem wissen, weil sie die Propaganda über das stellen, was sie selbst Kraft eigener Wahrnehmung an ihren Mitmenschen erkennen können.
Das ständige Nazi- und Rechtsradikalen-Framing, also die Rahmung der Spaziergänger und Demo-Teilnehmer durch Politik und Altmedien, ist unsäglich. Wie
denken Sie darüber?
Ich sage es ganz klar: Menschen, die unbescholtene Bürger mit Nazis gleichsetzen, spielen mit dem Feuer, weil sie unsere Erinnerungskultur gefährden und die NS-Zeit verharmlosen. Jeder, der uns auf unseren Veranstaltungen sieht, erkennt sofort, dass wir mit Nazis absolut nichts am Hut haben. Irgendwann wird sich das Framing totlaufen, weil keiner mehr die-
sen Quatsch hören will.
Auch Sie persönlich müssen einiges aushalten, wurden von der Regionalpresse mehrfach als Verschwörungstheoretiker verunglimpft. Wie gehen Sie mit den
völlig substanzlosen Diffamierungen gegen Ihre Person um?
Ich habe längst eine zelluläre Immunität dagegen entwickelt, weil ich weiß, dass ich auf der richtigen Seite stehe und sich die Stimmung im Volk und in der Justiz wandeln wird. Dann werde ich mit Schadenersatzansprüchen wegen Rufmordes um die Ecke kommen. Die Betroffenen werden sich wundern, was da alles noch auf sie zukommt. Noch wichtiger ist mir
aber: Mit meinen Auftritten werde ich von diesen Leuten offenbar als Gefahr wahrgenommen, ansonsten könnten sie mich ja ignorieren. Gut so.
Haben Sie keine Angst vor beruflichen Konsequenzen?
Die Leitung der Uni Bielefeld ließ neulich verlauten, sie sei bei den CoronaMaßnahmen zwar dezidiert anderer Meinung als ich, aber die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut. Das Wissenschaftsministerium hat die Uni jedoch aufgefordert, zu prüfen, ob ich mit einer Rede, die ich am 18. März in Bielefeld gehalten habe, meine beamtenrechtlichen Pflichten verletzt habe.
Wie begegnen Ihnen Ihre Kollegen und Studenten?
Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) der Uni Bielefeld hetzte zuletzt übel gegen Sie...Mit dem Kollegium habe ich eine funktionierende Arbeitsebene, und wir geben uns viel Mühe, dass die Zusammenarbeit unter der gegenwärtigen Situation nicht leidet. Das rechne ich meinen Kolleginnen und Kollegen hoch an. Allerdings sorgte ein Kollege 2021 wegen meiner Ansichten zur Coronakrise für meinen Rauswurf aus der Uni-Band, in der ich Keyboarder war. Mit dem Großteil meiner Studenten habe ich ein sehr gutes Verhältnis. Ich versuche ja nicht, sie zu indoktrinieren. Und im Hörsaal spielt das Thema Corona ohnehin keine Rolle.
Mittlerweile kommt mir aber zu Ohren,dass Studenten, die mich nicht schon vor Corona kennengelernt hatten, dem AStA diese Hetze abkaufen. Da werde ich wohl doch etwas unternehmen müssen, damit die Studenten nicht das Vertrauen in mich als Hochschullehrer verlieren. Helfen wird mir da sicherlich der Offene Brief, den die Organisation »We
For Humanity« (www. we-for-humanity.org, Anm. d. Red.) mir geschrieben hat.
Am 7. April gab es für die Ampelregierung bei der Abstimmung über den Impfzwang im Bundestag eine herbe Schlappe. Endgültig vom Tisch ist das Thema damit sicher nicht. Halten Sie eine allgemeine Impfpflicht verfassungsrechtlich für möglich?
Auf keinen Fall, schon allein deshalb nicht, weil man durch die Impfung sterben kann. Und selbst wenn sie Leben retten würde, was ich nicht für gesichert halte, verweise ich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz 2006 (das Gericht entschied, dass die Bundeswehr keine entführten Passagierflugzeuge abschießen darf, die als Waffe gegen Menschen eingesetzt werden, Anm. d. Red.). Der Staat darf nicht Leben opfern, um Leben zu retten. Die Impfung ist gefährlich. Das hat auch das Bundesverfassungsgericht
eingeräumt, als es den Eilantrag gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgeschmettert hat.
Mal angenommen, die allgemeine Impfpflicht kommt doch noch zu einem späteren Zeitpunkt – was dann?
Ich würde bei Gericht ein selbständiges Beweisverfahren anstrengen und in diesem Rahmen beantragen, dass eine Kohortenstudie über die Impfnebenwirkungen durchgeführt wird. Nachdem Pfizer und Biontech die Placebo-Gruppe in ihrer Kohortenstudie aufgelöst haben, müssten wir eben eine neue machen. Ich glaube, der eigentliche Zweck der allgemeinen Impfpflicht ist es, den Kausalitätsbeweis für die Impfschäden unmöglich zu machen.
Viele Freiheitskämpfer laufen Sturm gegen den Great Reset – einer neuen totalitären Weltordnung, die von einer Elite um Klaus Schwab, dem Chef des Weltwirtschaftsforums, angestrebt wird.
Es sind jedenfalls Kräfte am Werk, die sich antifaschistisch nennen, aber in Wirklichkeit nach einem totalitären System streben. Ein Beispiel: Wie hat Kanadas Premierminister Trudeau auf die Trucker-Proteste reagiert? Er ließ die Konten der Demonstranten einfrieren. Da wurde vielen Menschen klar: Die meinen es ernst. Wenn jemand nicht brav ist, wird er von den Zahlungsströmen abgeschnitten. Wenn das Bargeld erstmal abgeschafft und durch eine digitale Währung ersetzt wurde, wären die Folgen für die Betroffenen fatal. Sehr bedenklich in diesem Zusammenhang sind auch die Pläne für ein Impfregister, bei dem die Steueridentifikationsnummer mit dem Impfstatus verknüpft werden soll. All das sind Tendenzen,die in Richtung eines digitalen Überwachungsstaates gehen.
Wie lässt sich dieses Worst-Case-Szenario noch verhindern?
Indem wir mit unserer Gegenwehr nicht locker lassen. Eine Regierung wird auf Dauer nicht gegen das eigene Volk bestehen können.
Sie befinden sich derzeit im Wahlkampf, kandidieren als Direktkandidat für den Wahlkreis 92 Bielefeld I und Landeslistenerster in Nordrhein-Westfalen für die Partei Die Basis. Warum sollte man am 15. Mai 2022 in NRW das Kreuz bei Ihrer Partei setzen?
Weil die Basis gegen den Impfzwang und sämtliche Corona-Maßnahmen ist und auch nach der Wahl im stetigen Austausch mit den Bürgerinnern und Bürgern bleibt. Demokratie ist Politik von allen für alle. Wir wollen den Einfluss großer Konzerne auf die Politik dramatisch beschneiden, dafür sorgen, dass die Medien unabhängiger werden und die öffentlich-rechtlichen TV- und Radiosender ersatzlos abschaffen. Wir wollen ein Gemeinwesen, in dem wir uns alle wieder als Menschen begegnen.
Herr Professor Schwab, wir danken Ihnen für das Gespräch.