Die bekannte Boulevardzeitung mit den vier Buchstaben hat die Antwort für die obszön hohen Benzinpreise: Mister Eintagesbart Christian Lindner, zurzeit Bundesfinanzminister, wird jetzt energisch durchgreifen! Er wird mit Steuererleichterungen dem kleinen Mann zu ganz großen Erleichterungen an der Benzinfront verhelfen. Schaut man im Detail, so findet sich wenig Konkretes.
Sein Kollege, Fracking-Minister Robert Habeck, tendiert eher zu mehr Sparsamkeit beim Konsum des schwarzen Goldes. Sonntagsfahrverbote. Und überhaupt: Sollen die da unten doch mehr Bahn und Bus fahren! Dumm nur, wenn der öffentliche Personenverkehr seit Jahrzehnten bis zur Unkenntlichkeit ausgedünnt worden ist, um die Leute zum Kauf eines eigenen Verbrenner-PKWs förmlich zu zwingen. Sollen die Pendler per Anhalter zum Arbeitsplatz gelangen?
Es ist wirklich zum Greinen. Die Energiepreise gehen gerade durch die Decke, und keiner hält sie auf. Gas kostete am Jahresanfang noch 94,51 Euro pro Megawattstunde. Am 11. März 2022 mussten wir bereits 130 Euro je Megawattstunde berappen. Strom gab es am Jahresanfang noch für 121,98 Euro je Megawattstunde. Am 11. März mussten wir 167,88 Euro dafür ausgeben. Super-Benzin E5 war am Jahresanfang noch für 172,12 Cent erhältlich. Jetzt zahlen wir schon 235 Cent für diesen Saft. Also glatt 60 Cent mehr innerhalb weniger Wochen, oder etwa 30 Prozent Aufschlag!
WER IST SCHULD
AN DEN TEUERUNGEN?
Kein Wunder, dass sich jetzt die ersten LKW-Konvois auf den Weg machen im Protest gegen diese unverschämte Abzokke. Das ist natürlich auch wieder die Stunde der Ideologen aus der libertären Ecke, die eine schnelle Mark mit schnellen Erklärungen machen wollen. Da wird davon schwadroniert, dass der Staat Schuld sei und die Bürger ausnimmt wie
eine Weihnachtsgans. Tatsächlich ist zum Jahreswechsel eine neue CO2-Abgabe eingeführt worden. Die schlägt für den Liter Benzin mit sieben Cent und für Diesel mit acht Cent zu Buche. Der Liter Super-Benzin hätte also zum Jahresanfang ohne CO2-Abgabe 164,12 Cent gekostet. Das macht den Kohl nun auch nicht fett. Schon im letzten Jahr war die Energiesteuer mit 65,45 Cent je Liter dabei. Die Mehrwertsteuer betrug schon immer 19 Prozent. Der Staat kann also nicht der Schuldige sein.
Ist Putin schuld? Einfache Antwort: nein! Denn Russland liefert weiter wie gehabt sein Öl an Deutschland – zu stabilen Preisen. Tatsächlich ist Russland mit einem Anteil von 34 Prozent der größte Zulieferer auf dem deutschen Energiemarkt. Es folgen die USA mit 12,5 Prozent. Dann kommt Kasachstan mit 9,9 Prozent, gefolgt von Norwegen mit 9,7 Prozent, sowie Großbritannien mit 9,4 Prozent. Die restlichen 24,5 Prozent verteilen sich auf andere Länder. Zwei Prozent stammen tatsächlich aus deutschen Landen, frisch in den deutschen Kolben gespritzt. Dann gibt es noch schlaue Köpfe, die die Preissteigerungen einem ungünstigen Dollar-Euro-Wechselkurs zuschreiben. In der Tat muss man für einen Euro im
Moment 1,10 Dollar bezahlen.
ANDERE LÄNDER
ANDERE SPRITPREISE
Aber das alles kann nicht einen derart unverschämten Preisaufschlag um 60 Cent in zehn Wochen erklären. Wenn wir uns mal in Europa umschauen sehen wir, dass die nordwesteuropäischen Länder extrem hohe Benzinpreise zahlen. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban ließ den Benzinpreis indes auf 1,30 Euro »deckeln«. Ob das eine weise Entscheidung ist, bezweifeln dort zumindest die Tankstellenpächter. Aber auch in Tschechien wird der Liter Superbenzin für 1,47 Euro feilgeboten, und in Polen für 1,43 Euro. In Russland kostet der Liter Super-Benzin aktuell an der Tankstelle 0,42 Euro. Also ist Deutschland, genau wie beim Corona-Regime, ein Land von Masochisten? Jedenfalls hat der Preiswucher an deutschen Tankstellen rein gar nichts mit dem Öl-Angebot zu tun. Der Preis für ein Fass (Barrel = 159 Liter) der Sorte Brent kostete tatsächlich zeitweise 139,13 Dollar. Doch jetzt ist er schon lange wieder bei 100 Dollar angekommen.
DIE PROFITEURE
DES CHAOS
Also: Wer hält hier so frech die Hand auf? Der Energieexperte Jürgen Albrecht vom ADAC sagt es in aller gebotenen Offenheit: »Trotz aller kriegsbedingten Sondereffekte und Erklärungen für die höheren Spritpreise – irgendwo zwischen Ölförderung und Tankstelle bleibt das zusätzliche Autofahrergeld hängen. Die Mineralölkonzerne verdienen im Raffineriegeschäft derzeit richtig gutes Geld.« Das hatten wir schon einmal im Jahre 1974. Damals versteckten sich die raffgierigen Mineralölkonzerne hinter ebenfalls nicht schlecht verdienenden Ölscheichs. Diesmal haben die Ölmultis die Presse so im Sack, dass sie selber gar nicht mehr ins Rampenlicht geraten. Und die Bundesregierung spielt Blinde Kuh dazu.
Trotz aller Schiebungen spielt aber auch das klassische Motiv von Angebot und Nachfrage dann doch noch eine gewisse Rolle. Denn in Ostasien ist der Durst nach Öl in den letzten Jahren enorm angestiegen. So hat sich die Volksrepublik China in einem Liefervertrag über 50 Jahre ein bedeutendes Segment des Fördervolumens des Scheichtums Saudi Arabien gesichert. Und dieses Volumen wird zukünftig nicht mehr in US-Dollar abgewickelt, sondern in der chinesischen Währung Renminbi. Ein derber Leberhaken für das US-Imperium, das
seine ungedeckten Dollars nur durch die weltweiten Öl-Transaktionen einigermaßen stabilisieren kann.
Und nun hat US-Präsident »Sleepy Joe« Biden ja beschlossen, in Zukunft auf russisches Öl verzichten zu wollen, was man von uns Europäern schon lange fordert. Und dann fiel ihm oder seinen Betreuern ein, dass das geliebte Öl dann teurer wird. Jetzt hofieren die USA auf einmal die eben noch verteufelte Regierung von Venezuela unter Nicolas Maduro. Und auch der Iran ist plötzlich so ungeheuer attraktiv. Doch zunächst ließ die US-Regierung vorfühlen, ob Biden mal den Prinzen Mohammad bin Salman von Saudi-Arabien und den Scheich der
Vereinigten Arabischen Emirate anrufen dürfe, um über eine Steigerung der Ölfördermenge zugunsten der USA zu sprechen. Die Ölscheichs sagten: Nein, mit den Amis wollen wir nicht mehr reden. Um sodann sofort mit Russlands Präsidenten Putin zu telefonieren. Seitdem die OPEC-Mitglieder de facto Russland in ihr Ölkartell mit aufgenommen haben, verstehen sich die ungleichen Partner hervorragend.
BIS DASS DER TOD
SIE SCHEIDET
So schaut es aus auf der geopolitischen Bühne. Die deutsche Bundesregierung klammert sich indes heftiger denn jemals zuvor an die sterbende Supermacht USA und will sich partout
mit ihr zusammen in unverbrüchlicher Nibelungentreue in den Sarg legen. Währenddessen geht die einheimische Wirtschaft leise weinend zugrunde. Die ersten Fabriken haben schon geschlossen wegen Energiemangel. Die Menschen draußen im Lande müssen mittlerweile immer mehr von ihrem kargen Lohn für das nackte Überleben ausgeben. Eine Verarmung im Turbomodus. Die Berliner »Hampel-Koalition« hat bisher kein Konzept vorgelegt, wie diesem Übelstand beizukommen ist. Wichtiger ist es offensichtlich, unsere amerikanischen »Partner« und die Mineralölkonzerne zu bespaßen. Das finden wir gar nicht lustig.
Hermann Ploppa ist Buchautor und Chef des Wirtschaftsressorts dieser Zeitung.