DW: Mister Hopkins, wie fühlt sich das Leben unter Corona in der deutschen Hauptstadt der Gegenwart an?
CJ Hopkins: Gleichgeschaltet, faschistisch, erstickend depressiv. Aber der wachsende Widerstand gegen die »Neue Normalität« in Deutschland gibt mir Hoffnung. Ich habe mich 2005 in Berlin angesiedelt, nachdem ich aus den USA quasi geflohen und in Europa eine Zeit lang herumgereist war. Einer der Gründe, warum ich mich hier niedergelassen habe und was ich an der Stadt liebte, war das Gefühl, das ich hatte. Nämlich jenes, dass die Deutschen, oder zumindest die Berliner, wegen ihrer Geschichte die letzten sein würden, die sich irgendeiner neuen Form von Totalitarismus oder Faschismus beugen.
Deshalb war ich im Frühjahr 2020 schockiert, als die Mehrheit der Gesellschaft begann, in den Niederschluss zu marschieren, als sie begann, unhinterfragt Befehle zu befolgen und jeden dämonisierte, der die offizielle Erzählung herausforderte. Ich empfand die nackte autoritäre Rhetorik der Regierungsmitglieder als besonders verstörend. Mir wird speiübel angesichts der Art und Weise, in der sich die Mehrzahl der deutschen Staats- und Konzernmedien in eine Neu-Goebbel’sche Propagandamaschine verwandelten.
Die systematische Dämonisierung von Menschen, die für ihre Verfassungsrechte aufstehen und die offizielle Erzählung in Frage stellen als »Rechtsextreme«, »Verschwörungstheoretiker«, »Antisemiten« und so weiter, ist verwerflich! Den Begriff »Coronaleugner« empfinde ich als besonders widerlich, weil er absichtlich auf Holocaustleugnung anspielt. Ich verließ New York und die USA in der Folge von Nine Eleven und der US-Invasion des Iraks, im Wesentlichen deshalb, weil ich die
autoritäre Atmosphäre nicht mehr aushielt, die sich dort ausgebreitet hatte. Es ist herzzerreißend, die ganze Erfahrung hier nochmal zu durchlaufen – und das zehnmal so schlimm!
Und nun hat die Regierung auch noch vor, die »Impf«-Pflicht gegen die ganze Bevölkerung einzuführen, obwohl es nicht einmal mehr den Hauch einer rechtmäßigen Begründung dafür gibt. Wenn das deutsche Volk nicht aufsteht und diesen Wahnsinn stoppt, weiß ich nicht, wie ich hier noch weiterleben soll. Ich mag naiv sein, aber ich glaube daran, dass es aufstehen wird.
Wie kommt es, dass viele »Internationals« in Berlin, die sich selbst als Linksliberale sehen, fanatisch mit dem Regime gehen?
Diese Frage braucht eine etwas längere Antwort und ich habe ja schon auf Ihre erste Frage hin weit ausgeholt. Also zunächst einmal: Das, was man generell als »die Linke« bezeichnete, ist zerstört worden. Es gibt noch einige altmodische Linke, aber es gibt keine handlungsfähige organisierte linke Bewegung. Die Linke ist aufgesaugt und instrumentalisiert worden von einer globalkapitalistischen Herrschaftsmaschine, jener dezentralenübernationalen Gestalt, die ich in meinen Essays »GloboCap« nenne. Was die meisten von uns noch immer nicht begriffen haben, ist, dass wir seit dem Zerfall der Sowjetunion in den frühen 1990er Jahren in einer Welt leben, die von einer einzigen Ideologie dominiert wird: dem globalen Kapitalismus.
GloboCap hat keine äußeren Feinde. Er kontrolliert das gesamte Territorium der Erde. Daher sind seine einzigen Feinde im Inneren. Die sind durchaus mannigfaltig, aber das spielt für den GloboCap keine Rolle. Für den GloboCap sind wir alle »Aufständische«, »Terroristen«, »Extremisten«, »Populisten«, »Wirklichkeitsverleugner« oder was auch immer. Weil es weder eine brauchbar organisierte Linke gibt, noch eine glaubwürdige linke Ideologie, sind Linke und Liberale in eine Stellung gedrängt worden, in der sie sich entscheiden müssen zwischen einer Treue zum globalkapitalistischen Establishment oder zu den vermeintlichen »Extremisten«. Angesichts dieser Auswahl haben sie sich für den GloboCap entschieden. Im Wesentlichen deshalb, weil alle, die dem GloboCap Schwierigkeiten bereiten, als »Rechtsaußen«, »Rassisten«, »Antisemiten« und eben als »Extremisten« dämonisiert werden.
Die Trump-Jahre haben bewirkt, dass die liberale und linke Eingemeindung in das GloboCap- Establishment vorangetrieben wurde – eben durch das Hineintreiben in die geschilderte Double-Bind-Situation, die Bindung an zwei Pole, die unvereinbar sind. Also, der GloboCap bietet anstatt substantieller Politik liberale und linke Identitätspolitik an, sodass man sich zwar noch immer»links« und »liberal« fühlen kann, aber dabei dem Globalkapitalismus dient. Ich habe darüber viel geschrieben in meinen Texten für Consent Factory (Einverständnisherstellungsfabrik, Red.). Das hier ist also eine kurze Antwort.
Wie könnte eine demokratische und wahrhaft linksliberale Neuverständigung aussehen? Und würden Sie eine Verfassungserneuerung des deutschen Volkes eher schätzen oder würde es Sie eher verängstigen?
Ich bin mir nicht so sicher über die linke, liberale Neuverständigung. Ich denke, jene von uns, die sich nach wie vor als altmodische Linke betrachten oder sogar als Liberale, müssen die Welt, in der wir nun leben, zunächst bewusst verstehen – und die Kräfte, die in dieser Welt die Hausmacht haben. Erst dann werden wir wissen, was es heißt, links oder liberal zu sein. Die Rechten müssen sich ebenfalls dieser Klärung unterziehen, dies nur am Rande. Wenn Sie mich auf deutsche Unabhängigkeit ansprechen und damit zum Beispiel das Verlassen der EU meinen, dann verängstigt mich das ganz und gar nicht.
Ich bin kein Nationalist und es ist ein Fakt, dass das, was wir derzeit erleben, im Grunde seit rund 30 Jahren erleben, die Verschiebung der Macht von demokratischen Institutionen souveräner Nationen auf ein Netzwerk verantwortungsloser, übernationaler Regierungsgestalten ist – GloboCap. Diese Macht verfestigt sich. Ein anderes Ziel, als diese Verfestigung von Macht hat GloboCap übrigens gar nicht. Und nochmal, er hat keine äußeren Feinde. Ich bin nicht der Ansicht, dass die Rückkehr zum Nationalismus eine langfristig aus sichtsreiche Strategie ist, aber alles, das die Verfestigung des GloboCaps zersetzt, ist wahrscheinlich kurzfristig eine gute Sache – wie alles, das politische Macht zu den Menschen zurückbringt. Denn das ist doch, worum es beim Traum von Demokratie ging, oder?
Mister Hopkins, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Die Fragen stellte Anselm Lenz, ebenso die Übersetzung.