In ihrer Ausgabe Nummer 250 im nunmehr vergangenen Jahr 2021 verheißt das renommierte Handelsblatt einmütigen unternehmerischen
Optimismus für das kommende Jahr 2022. Alle 48 Branchenverbände der deutschen Wirtschaftsmaschine sehen für die nahe Zukunft nur Wachstum voraus: »Das hat es noch nie gegeben und zeugt von einer außerordentlich hohen Erwartungshaltung für die Konjunktur.« Also rauchen wieder alle Schornsteine wie bei Ludwig Erhard in den 1950er Jahren?
Maschinenbau, Stahl und Metallverarbeitung rechnen für 2022 mit »bedeutend mehr« Umsätzen. Glatt die Hälfte der befragten Branchenverbände wollen jetzt mehr investieren als 2021. Freudig erwarten die Verbandsfunktionäre massive Anschübe durch vermehrte Tätigkeiten in den Bereichen Klimaneutralität, Strukturwandel und »digitale Transformation«. Dadurch ergeben sich traumhafte Zuwächse von 39 Prozent bei der Produktion, bei den Investitionen von 24 Prozent und immerhin
von 21 Prozent bei der Beschäftigung. Nun gibt es ja leider noch ein paar Wermutströpfchen bei dieser Jubilation: Denn die Befragung ergibt auch, dass immerhin noch 74,4 Prozent der Industriebetriebe unter Material- und Rohstoffmangel leiden. Aber, so wissen die Auguren zu vermelden, im zweiten Quartal des Jahres 2022 werden sich die dunklen Wolken der Lieferengpässe von selber verflüchtigen und es herrscht strahlender Sonnenschein allüberall. Jubel, Trubel, Heiserkeit.
AGENDA-KONFORME
PROGNOSENPOLITIK
Man fragt sich, wie es zu dem weitgehend unbelegten Optimismus kommen konnte. Nun, das die Fragen stellende Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat ja hier keine realen Unternehmer befragt, sondern deren Standesvertreter, die Branchenverbandsfunktionäre.Dazu muss man wissen, dass seit Hitlers Zeiten die Branchenverbände keine genuinen Interessenvertretungen der ihnen unterstellten Unternehmen mehr sind. Vielmehr folgen sie einer weiter oben vorgegebenen politischen Agenda der
Staatsmaschine, die wiederum der Agenda global agierender Kartelle folgt.
Politische Agenda kann beispielsweise ein anvisierter Krieg sein. Oder eben auch eine weltweite Impfkampagne. So setzt die rosarote Brille der Branchenverbände
zwingend voraus, dass bald alle Menschen auf dieser Welt geimpft und irgendwann auch gechipt sind und dass jene neue schöne Welt dann wieder ohne künstliche
Barrieren auskommen kann. Und dass sich der Rest der Welt der »regelbasierten Ordnung« der westlichen Wertegemeinschaft schon irgendwann wieder unterordnen wird. Diese Prämissen werden – zumindest für die nähere Zukunft – mit Sicherheit nicht eintreten.
Und so liest man denn auch in der Wirtschaftspresse bereits Anfang 2022 Dinge, die dem Rosarot diametral entgegen gesetzt sind. Statt des Smileys jetzt heruntergezogene Mundwinkel. Da können wir uns erst einmal bei »Madame Inflation«, der Direktorin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, herzlos bedanken. Die drahtige Französin hat uns einen Tsunami von 8,38 Billionen Euro an frisch gedrucktem Bargeld beschert. Das zusammen mit der Nullzinspolitik stellt einen hemmungsfreien Überziehungskredit dar, den wir irgendwann einmal abzahlen müssen. Richtig, soziale Verwerfungen durch katastrophale Massenarbeitslosigkeit
haben wir für die Jetztzeit damit erst einmal abgewendet. Aber das Vermögen des Mittelstands verdampft gerade im kalten Winternebel.
KÜNSTLICH ERZEUGTE KATASTROPHE
Und dann die verheerenden Lieferengpässe. Wie immer man über die Globalisierung denken mag: Ihre mutwillige Unterbrechung durch die Corona-Kampagne ist alles andere als witzig. Über 80 Prozent aller deutschen Industrieunternehmen können nicht richtig loslegen, weil ihnen Vorprodukte und Rohstoffe fehlen. Auch klagen 80 Prozent aller Einzelhändler darüber, dass ihnen gerade im entscheidenden Weihnachtsgeschäft nicht alle bestellten Waren geliefert werden konnten. Und dazu die Gängelung von Einzelhändlern und Kunden durchdie unmenschliche 2G-Regelung.
Die massiven und politisch sicher nicht ungewollten Hemmnisse machten das Weihnachtsgeschäft zu einer einzigen »Katastrophe«, wie der Einzelhandelsverband HDE beklagte. Die Einbrüche im Einzelhandel werden in den Statistiken dadurch verdeckt, dass Online-Handel und der so genannte »stationäre« Kaufmannsladen zusammengezählt werden. Tatsächlich jedoch hat der Handel über das Internet allein in den Monaten Januar bis Oktober des letzten Jahres ein sattes Plus von 16,1 Prozent hingelegt, während die Ladengeschäfte ein Minus von 1,9 Prozent in ihrem Umsatz hinnehmen mussten. Wobei letztere Zahl möglicherweise auchgeschönt daherkommt.
Sehr zu schaffen macht der realen Welt nicht zuletzt der horrende Anstieg von Energiepreisen. Es gibt Unternehmer, die die Produktion wegender Preisexplosion im Energiesektor vollständig einstellen. So zitiert das Handelsblatt aktuell den Geschäftsführer der Glashütte Freital, Stefan Jugel: »Auf der Basis der aktuellen Energiekosten
macht die Produktion keinen Sinn. Die Energiekosten sind höher als der Umsatz.« Der Gaspreis setzt sich aus drei Komponenten zusammen: den Kosten für den Einkauf des Rohstoffs, den Kosten für die Netzbetreiber und schließlich die Abgaben für Steuern. Was hier so ungehemmt explodiert, ist der Preis für den Erwerb des Gases selber.
Das ist politischer Sprengstoff. Erhöhungen der Energiepreise haben in der Vergangenheit schon Revolutionen losgetreten. Kein Wunder, dass der französische Präsident Macron jetzt einfach einen Deckel auf die explodierenden Energiepreise gestopft hat. Aber das ist nur ein durchsichtiges Manöver zu den in Frankreich anstehenden Wahlen. Irgendwann muss die Zeche doch gezahlt werden. Sonst liefern die Anbieter einfach nicht mehr.
AUSWEGE AUS DER
SELBSTVERSCHULDETEN MISERE
Ist es der böse Putin, der uns hier auslaugt? Nun, der war es bestimmt nicht. Kaum jemand weiß nämlich, dass Energiepreise an der Leipziger Börse gehandelt werden. An dieser European Energy Exchange spielen Herren mit Sonnenbrille Roulette mit unserer Grundversorgung: Gas, Strom und auch Lebensmittel werden als Termingeschäfte gehandelt.Diese weitgehend unbekannten Zocker haben uns horrende Energiepreise eingebrockt. Die Beschaffungspreise an der Börse haben sich verdreifacht. Und wer kurzfristig auf dem sogenannten Spotmarkt noch ein paar Kubikmeter Gashinzukaufen muss, zahlt glatt das Fünffache wie vor Corona.
Eine sofortige Schließung der Leipziger Börse als neuzeitliche v v Abart derWegelagerei würde die Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Zudem können wir uns bei der neuen Außenministerin Annalena Baerbock bedanken, dass sie als eifriger Wachhund der US-Regierung und der Fracking-Industrie die Inbetriebnahme der neuen Pipeline Nord Stream 2 hartnäckig zu verhindern weiß.
Man könnte zudem die deutsche Wirtschaft wieder ankurbeln, indem man den privaten Konsum anregt, so wie es China erfolgreich vormacht. Die Leute haben Angst wegen der Corona-Panik. Deswegen ist die Sparquote so hoch wie in den Endzeiten der DDR. Politische Freiheiten, Förderung des gegenseitigen Vertrauens und ein barrierefreier Handel – das sind die Schlüssel zur echten Wirtschaftserholung.
Hermann Ploppa ist Buchautor und Chef des Wirtschaftsressorts dieser Zeitung.