Was Heinrich Heine dereinst über die Kleriker sagte, gilt heutzutage in besonderem Maße für unsere selbsternannten globalen Eliten: Sie predigen öffentlich Wasser und trinken heimlich Wein. Der große Reset, die grandiose Neuprogrammierung unserer Welt nach dem Bilde der Superreichen, soll unsere gepeinigte Natur wiederherstellen durch eine technologische Öko-Diktatur. Nun hat ausgerechnet die Hilfsorganisation Oxfam eine interessante Studie vorgelegt, die zu dem Schluss kommt: Es sind gerade die ein Prozent Superreichen auf dieser Erde, die mit hemmungsloser neofeudaler Verschwendung die Rettung der Biosphäre vereiteln.
Auf der Pariser Klimakonferenz im Jahr 2015 hatten sich 195 Staaten dieser Erde dazu verpflichtet, ihre Emissionen an Kohlendioxid soweit einzuschränken, dass sich die zu erwartende Erderwärmung auf ein Temperaturplus von 1,5 Grad Celsius eingrenzen lässt. Der 1,5-Grad-Wert ist ein politischer Kennwert, um den Kampf gegen die komplexen Klimaveränderungen in praktische Schritte umsetzen zu können. So hat man in Paris eine zulässige Menge an fossilen Emissionen auf alle Erdenbürger heruntergebrochen. Der amerikanische Wissenschaftler James Hansen sprach von »Betrug«, denn keine der Pariser Vereinbarungen war irgendwie konkret oder bindend.
Aber wie auch immer: Innerhalb der Logik des Pariser Abkommens verbergen sich große Ungleichheiten im Umgang mit der Erderwärmung. Die Industrialisierung wurde buchstäblich befeuert durch Fossilstoffe, die man aus dem Boden holt, verbrennt und dann in die Atmosphäre abstößt. Die meisten Länder, besonders auf der Südhälfte, haben diese Industrialisierung noch immer nicht vollzogen. Wenn ein Bauer seinen Herd mit Kuhfladen oder Holz befeuert, trägt er nichts zur Erderwärmung bei, denn er
verbrennt nur das, was die Erdoberfläche hergibt. Entsprechend stellt die Oxfam-Studie fest, dass die fossilen Emissionen der ärmeren 50 Prozent der Erdbevölkerung im letzten Vierteljahrhundert gerade einmal um siebzehn Prozent zugenommen haben. Sie könnten auch noch um 233 Prozent zunehmen, ohne dass das 1,5-Grad-Ziel in Gefahr geriete.
SUPERREICHE SIND DIE GRÖSSTEN
UMWELTVERSCHMUTZER
Gänzlich anders sieht das aus, wenn man die reicheren 50 Prozent der Erdbevölkerung betrachtet. Die in der weltweiten Mittelklasse befindlichen 3,2 Milliarden Erdenbürger emittieren schon das Doppelte der für das 1,5-Grad-Ziel zulässigen Menge an Fossildreck. Die oberen zehn Prozent, also 800 Millionen Menschen, emittieren bereits das Neunfache der zulässigen Emissionen. Die superreichen ein Prozent ganz oben, immerhin noch 80 Millionen Individuen, emittieren alleine das Dreißigfache der zulässigen Emissionsmenge! Während sich die Superreichen in Davos als Vorreiter der ökologischen Wende feiern, lassen sie mal eben Raketen hochsteigen, damit betuchte Raumfahrt-Touristen die Schwerelosigkeit genießen können.
Oxfam konnte aufgrund der angeberischen Postings der Schönen und der Reichen in »sozialen« Netzen rekonstruieren, dass ein Prozent der Weltbevölkerung für die Hälfte aller Flugemissionen weltweit verantwortlich zeichnet. Diese neofeudale Kaste bekommt immer mehr Zulauf aus allen Teilen der Welt. Inder und Chinesen sind jetzt dabei. Die soziale Ungleichheit wird immer mehr auch zu einer ökologischen Ungleichheit. Während die Menschen in der Dritten Welt unter den Folgen des hemmungslosen Umweltverbrauchs in der Ersten Welt leiden, nimmt die Prasserei unter den erlauchten oberen zehn Prozent immer noch weiter zu. Tim Gore, der die Oxfam-Studie präsentierte, kommt zu dem Schluss, dass man die oberen zehn Prozent massiv an die Kandare nehmen muss, wenn man die Erderwärmung noch unter dem Niveau von 1,5 Grad halten will: »Dazu gehören sowohl Maßnahmen zur Einschränkung des CO2-Verbrauchs für Luxusgüter wie Megajachten, Privatjets und private Raumfahrt als auch zur Begrenzung klimaintensiver Investitionen wie Aktienbesitz in der fossilen Brennstoffindustrie.«
Es ist nämlich nicht damit getan, den Superreichen ihre Fossilschleudern wegzunehmen. Auch die großen Vermögensverwaltungsgesellschaften wie Blackrock und Vanguard müssen daran gehindert werden, die überschüssigen Gelder der Superreichen profitabel in Fossilwirtschaft, Atomkraft oder Rüstung anzulegen. Der UNO-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Öko-Prasserei der Superreichen als »Krebsgeschwür«: »Wenn wir jetzt nicht handeln, könnte dieses Jahrhundert unser letztes Jahrhundert sein.«
Hermann Ploppa ist Buchautor und Chef des Wirtschaftsressorts dieser Zeitung.