Italien ist (wie Deutschland) das politische Laboratorium des Westens. Hier werden die Strategien der dominanten Mächte in ihrer extremen Form und zuerst ausgearbeitet.
Italien ist (wie Deutschland) heute ein Land in menschlichen und politischen Trümmern, in dem eine erbarmungslose Tyrannei, zu allem entschlossen, sich mit einer Bevölkerungsmehrheit im Griff von pseudo-religiösem Terror verbunden hat, in der Bereitschaft, nicht nur alles zu opfern, was einmal verfassungsmäßige Freiheiten genannt worden war, sondern sogar jedwede Wärme in menschlichen Verbindungen.
Zu glauben, dass der Hygienepass eine Rückkehr zur Normalität bringen würde, ist wirklich naiv. Genauso, wie die dritte »Impfung« bereits eingesetzt wird, werden neue Maßnahmen eingesetzt werden, neue Notfallsituationen und Rote Zonen deklariert werden – und zwar solange, wie die Regierung und die Mächte urteilen, dass sie nützlich seien. Und es werden jene Unklugen sein, die dem gehorcht haben, die den Preis dafür zu bezahlen haben werden.
Unter diesen Umständen – ohne auch nur ein einziges Mittel des direkten Widerstandes niederzulegen – ist es für die Dissidenten notwendig daran zu denken, so etwas wie eine Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft zu erschaffen, eine Gemeinde der Freunde und Nachbarn inmitten einer Gesellschaft der Feindseligkeit und Distanz. Die Formen dieser neuen Heimlichkeit, die so autonom wie nur möglich von den Institutionen sein muss, wird von Zeit zu Zeit überdacht und verändert werden müssen. Doch nur sie werden das menschliche Überleben garantieren in einer Welt, die sich – ob bewusst oder unbewusst – hingebungsvoll selbst zerstört.
Giorgio Agamben, 17. September 2021