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»RÉSISTE« – PARIS FÜR DIE FREIHEIT

Am 7. August, zwei Tage vor der Einführung des Covid-­Passes, kommt es in der französischen Hauptstadt zu Massenprotesten. | Bericht

Von Ronja Palmer

Seit Wochen demonstrieren in ganz Frankreich Hunderttausende gegen die Einführung des »pass sanitaire«. Seit dem 9. August 2021 ist der Nachweis über eine Impfung, einen negativen Test oder eine überstandene Corona-Infektion verpflichtend für den Zutritt zu Restaurants, Cafés, Gesundheitseinrichtungen, Messen und Jahrmärkten und für Fernreisen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Er markiert einen weiteren Schritt in die Corona-Diktatur. Gemeinsam halten Frankreichs Demokraten dagegen. In über 200 französischen Städten wird en masse demonstriert.


Reisen im Corona-Überwachungsstaat ist kein Zuckerschlecken — das wird mir auf meinem Kurztrip nach Paris Anfang August schmerzlich bewusst. Dabei fiel die erwartete Corona-Test-Kontrolle im Zug von Kaiserslautern nach Paris glücklicherweise aus. Trotzdem. Ein innerer Stress ist da, und jetzt nicht nur wegen des fehlenden Kaffeefilters im Gesicht.

In Paris angekommen, tauche ich auf dem Weg ins Zentrum in wuselige Straßenszenen von gelassen Kaffee schlürfenden und fröhlich shoppenden Corona-Konformisten. Ist ihnen denn bewusst, dass sie ab Montag ihre geliebten Restaurants und Cafés nur noch mit dem sogenannten »pass sanitaire« werden betreten können? Oder haben sie alle schon den rettenden Shot bekommen, frage ich mich und wünsche mir, alle diese Menschen würden, statt durch die Fußgängerzone zu schlendern, morgen zur angekündigten Großdemo gegen die Einführung des Gesundheitspasses und die am 15. September in Kraft tretende Impfpflicht für das Gesundheitspersonal erscheinen.


DEMOKRATEN FLUTEN PARIS


Am folgenden Mittag ist dann zwar nicht ganz Paris auf den Beinen, aber doch eine gewaltige Anzahl französischer Demokraten — und während ich überwältigt bin, kramt die Tagesschau mal wieder ihre Lieblingszahl heraus. 17.ooo Demonstranten sollen es in Paris gewesen sein. 237.000 landesweit. Immerhin. Aber sehr wahrscheinlich waren es mehr.

Wir kennen das ja. Was die zwei der vier Pariser Demos betrifft, die ich besuche, so muss ich feststellen: Sie hätten kontrastreicher nicht sein können. Die erste, angekündigt auf dem Telegram-Kanal »Worldwide Rally for Freedom France« startet am Place Joffre unweit des Eiffelturms. Die Menschen strömen in Massen heran, viele mit Transparenten, auf denen steht: »libérons la france« (Deutsch: Wir befreien Frankreich), »La quatrième vague, c'est nous« (Deutsch: Die vierte Welle sind wir) oder »Pas nos enfants!« (Deutsch: Nicht unsere Kinder!). Ich sehe viele Ehepaare, ein paar wenige Familien. Die Demonstranten sind mehrheitlich älter, aber auch einige junge Menschen sind da. Es läuft der französische Klassiker »Résiste« von France Gall.

Mich wundert, dass kaum Polizei vor Ort ist, nur zwei vereinzelte Polizeiautos zieren den Rand der Demo. Auch herrscht weder Abstand noch Maskenpflicht. Eine Kontrolle der Hygieneregeln gebe es auf den Demos nie, wird mir erklärt. Kein Vergleich also zu den terrorisierenden Demo-Auflagen in Deutschland. Zum Protest aufgerufen, so muss ich erfahren, haben Anhänger der rechtspopulistischen Partei »Les Patriotes«. Sind diese Teilnehmer also alle rechts? Nein.

Viele lehnen die rechte Politisierung ab, fürchten sich aber vor der Polizeigewalt auf anderen Demos, wie die der Gelbwesten. Vor allem Frauen sagen mir, sie trauen sich alleine nicht auf die anderen Demonstrationen. Und tatsächlich darf der Protestmarsch ohne jegliche polizeiliche Störungen bis auf den Platz vor das »Hôtel national des Invalides« ziehen. Als die Initiatoren dort auf einer Bühne beginnen, ihre Reden zu schwingen, mache ich mich auf zum »Place du Châtelet« auf der anderen Seite der Seine, dem Endpunkt des Gelbwesten-Aufzugs.


TANZ AUF DEN BARRIKADEN


Bereits von weitem sehe ich: Sämtliche zuvor durch Abwesenheit glänzendeBeamten haben sich hier versammelt. Polizeiwagen reihen sich aneinander, ganze Straßen und eine Brücke sind abgesperrt. Doch zunächst scheint alles friedlich. Vor dem Rathaus »Hotel de Ville« tanzen und singen etwa fünfhundert Menschen ausgelassen zu den Rhythmen einer Trommelgruppe. Unter Beobachtung durch den schwarzen Polizeiblock wird zu dem Ruf »Liberté!« sogar Polonaise getanzt — ob sie wohl Capt'n Futures Berliner Polonaise kennen?

Dann rückt die Polizei an. Zeitweise können die Demonstranten die Staatstruppen zurückdrängen, dann gehen die wieder zum Angriff über. Personen werden brutal zu Boden geworfen und anschließend verhaftet. Ein paar Touristen verfolgen neugierig durch die Absperrung den sich vor ihnen abspielenden Straßenkampf. Ich fühle mich wie in einer Kriegszone, nicht grundlos tragen die anwesenden Journalisten Schutzhelme. Am Torbogen des Rathauses erinnert die in Stein gemeißelte Aufschrift »liberté, égalité et fraternité« an die einst erkämpften Freiheits- und Bürgerrechte, die jetzt, im Jahr 2021, mit schwarzen Stiefeln getreten werden.


GELBWESTEN IM WIDERSTAND


In einer ruhigen Minute lerne ich Nadia kennen, eine Gelbwesten-Aktivistin, alleinerziehende Mutter und Therapeutin. »Ich möchte kein Versuchskaninchen für die Pharmaindustrie sein«, sagt sie mir. »Die Maßnahmen sind willkürlich und freiheitsfeindlich. Die Zahlen, mit denen uns die Medien seit März 2020 füttern, lösen bei vielen Angst aus, vor allem bei den Kindern.

Viele Traumata im Zusammenhang mit den Anschlägen von 2015 werden wieder ausgelöst. Ältere Menschen werden allein gelassen und verlieren die Hoffnung.« Warum sie bei den Gelbwesten ist, frage ich und Nadia erklärt: »Wir, die Gelbwesten, kämpfen für soziale Gerechtigkeit. Wir sind die arbeitenden Armen, werden gesellschaftlich abgestempelt, ja sogar als Analphabeten bezeichnet. In der Corona-Zeit, in der sich die soziale Ungleichheit noch zuspitzt, müssen wirmehr denn je für unsere Rechte kämpfen. Mich machen die herablassenden Blicke der Schaulustigen auf den Terrassen der Cafés traurig. Wir demonstrieren für den Erhalt unserer Freiheiten, während sie mittagessen.«


GEMEINSAM FÜR FREIHEIT,
GLEICHHEIT, BRÜDERLICHKEIT


Am Sonntag reise ich wieder ab. Einen Tag früher als geplant, denn ich fürchte, ohne Covid-Pass das Land nicht mehr verlassen zu können — was für ein Wahnsinn! Im Zug entkomme ich wieder der per Durchsage angekündigten Corona-Test-Kontrolle. Dafür werde ich aufgrund von fehlendem Kaffeefilter im Gesicht denunziert, und das französische Zugpersonal droht mir, die Fahrt auf der Zugtoilette verbringen zu müssen. Maskenbefreiungsatteste werden in Frankreich nicht akzeptiert, weiß ich jetzt.

Und wie geht es nun nach den Protesten weiter? Als entgegenkommende Reaktion auf die Demos verkauft, beschließt die französische Regierung vermeintliche Lockerungen. Negative Tests sollen nun 72 Stunden — statt der bislang 48 Stunden — gültig sein. Außerdem sollen neben Antigen- und Schnelltests auch Selbsttests unter medizinischer Aufsicht anerkannt werden. C'est ça. Halleluja. In ihrer Not setzen viele junge Franzosen derzeit auf eine ganz eigene Strategie: Covid statt Spritze. Die Tatsache, dass die jungen Menschen eine absichtliche Ansteckung der Impfung vorziehen, zeigt die ganze Absurdität des falschen Spiels, das Regierungen und Big Pharma mit unserer Gesundheit treiben.






Dieser Text erschien in Ausgabe N° 58 am 13. Aug. 2021




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