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DIE BESCHEUERTE AUTOBAHN GMBH

Baustellen ohne Ende: Eine neue Superbehörde soll Privatisierung und Digitalisierung voranbringen – und stiftet nur Chaos. | Von Hermann Ploppa

Von Hermann Ploppa

© Bild: Verkehrsminister Scheuer beschenkt Private mit Millionen - die Bürger bleiben indes auf maroden Straßen und Baustellen sitzen. Collage: Jill Sandjaja

Was sich seit ungefähr einem Jahr auf unseren Autobahnen und Bundesstraßen abspielt, ist eine einzige Katastrophe. Jedem, der vor dem Kollaps des Schienenverkehrs auf die Straße flüchtet, steckt das in den Gliedern. So viele Unfälle. Auf die Rastplätze kommt man vielleicht noch rauf, aber vor lauter abgestellten LKWs nur mit Mühe und Not wieder runter. Und dann fährt man ein paar Kilometer und sieht schon wieder diese Dreieckschilder.


Darin das Piktogramm eines schaufeln-den Straßenarbeiters. Baustelle! Diesmal leider 35 Kilometer lang — mit 60 km/h. Dann Rütteln und Schütteln auf einer dieser durch Schwertransporter abgerö-delten Autobahnpisten. Doch nicht lange, denn das Männchen mit der Schaufel im Dreieckschild lässt nicht lange auf sich warten — wieder Baustelle! Will man uns nach dem Eisenbahnfahren jetzt auch noch das Autofahren vergraulen? Sollen wir wie in Lateinamerika auf Helikopter-Taxis umsteigen?

Die Antwort ist weitaus banaler. Unsere geliebte Bundesregierung will mal wieder alles zentralisieren und damit effizienter, kostengünstiger und unbürokratischer machen. Und wie immer kommt dabei gerade das glatte Gegenteil heraus. Zudem will man in Berlin die Fernstraßen privatisieren, bis der Arzt kommt. Da das aber nicht gut ankommt bei den Menschen draußen im Lande, muss man das sozusagen unter dem Ladentisch machen. Und bei dieser Heimlichtuerei kommt auch nur halbgarer Pfusch heraus. Doch wenden wir uns der Zentralisierung zu.


ZENTRALISMUS SOLL

ABHILFE SCHAFFEN


Wir wissen alle, dass die Bundesregierung diesen lästigen Föderalismus lieber heute als morgen loswerden möchte. Schon im Jahre 2017 hatte es eine umfassende Reform gegeben, die den Ländern viele Zuständigkeiten gegen ein geringes Schmerzensgeld abgekauft und zum Bund verschoben hat. Es gab zwar ein gewisses Murren, da man sich aber die konkreten Folgen der Zentralisierung noch nicht so recht ausmalen wollte, ging dieser Bundes-Putsch glatt durch. Als im letzten Jahr Jens Spahn de facto zum Gesundheitsdiktator erhoben und die Länderchefs zu Befehlsempfängern herabgestuft wurden, konnten wir uns schon ein bisschen genauer vorstellen, was der neue Zentralismus nach französischem Vorbild mit uns macht. Doch kaum jemand hat bemerkt, dass seit Anfang dieses Jahres die Betreuung der deutschen Fernstraßen nicht mehr Ländersache ist. Das Geld für die 13.000 Fernstraßen-Kilometer gab schon immer der Bund. Für Hege und Pflege der Strekken waren allerdings bis vor Kurzem die einzelnen Bundesländer zuständig. Was man bemerken konnte, wenn man von den kuscheligen Flüsterasphaltstrecken in Brandenburg plötzlich auf die Schlaglochpisten in Mecklenburg-Vorpommern rüberhoppelte. Wäre ja schön für die Stoßdämpfer meines Autos, wenn die Strecken in Deutschland einheitlich gut gepflegt wären. Nun ist seit Jahresbeginn die neu gegründete Autobahn GmbH für die deutschen Fernstrecken zuständig. Also von der Theorie her alles wunderbar. Leider gibt es bei der Umwandlung einige gravierende Probleme. Erst mal mussten etwa 10.000 bisher bei den Ländern beschäftigte Mitarbeiter in die neue Zentralbehörde überführt werden.

Alle Unterlagen kommen zur neuen Superbehörde. 1.500 unterschiedliche Computersoftware-Systeme müssen zu einem System zusammengeführt werden. Für diese Herkulesaufgabe hatte sich Österreich zehn Jahre Zeit genommen. Doch die Bundesregierung hatte für diese Umwandlung gerade einmal drei Jahre eingeplant. Es hakte bereits, als die neue Autobahn GmbH die bereits seit 1991 bundesweit agierende Planungsgesellschaft Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) mit ihren 450 Mitarbeitern aufnehmen sollte. Der Bundesrechnungshof intervenierte, und nun muss die DEGES ihre restlichen Arbeiten erst einmal zu Ende bringen.


MANGELHAFTES MANAGEMENT


Und während Sie wieder mal auf einem Baustellen-Engpass kilometerweit angsterfüllt auf der linken Spur (zwei Meter breit!) neben einem polnischen Gigaliner herummäandrieren, wundern Sie sich vielleicht, dass auf der Baustelle noch immer keiner arbeitet. Das könnte womöglich daran liegen, dass die Baufirmen gerade streiken. Denn die Autobahn GmbH hat laut Handelsblatt etwa 20.000 Rechnungen im Wert von 650 Millionen Euro nicht an die ausführenden Firmen bezahlt. Ein eher misslungener Einstieg. Autobahn GmbH-Chef Stephan Krenz sieht das aber locker und pocht darauf, dass die neue Firma ja erst einmal in Gang kommen müsse.

Der Bundesrechnungshof sieht das weniger locker und kommt auf einen vollkommen überdimensionierten, pompösen Neujahrsempfang zu sprechen, mit dem sich der Vorstand der neuen Firma schon mal richtig ausgelassen selber feierte. Der Aufsichtsrat der neuen Firma blieb der Sause lieber fern und rügte die Geschäftsleitung. Zudem habe die neue Firma für externe Berater bereits 99 Millionen Euro zum Fenster rausgeschmissen, so die Rechnungsprüfer des Bun-destags. Finanzieren soll die Autobahn GmbH ihre Arbeit durch die 7,2 Milliarden Euro Einnahmen aus der LKW-Maut — davon gehen aber schon 1,1 Milliarden Euro an die Mautbetreiber.


DAS VERSCHACHERN UNSERER

AUTOBAHNEN GEHT WEITER


Die Zentralisierung beim Bund durch die Autobahn GmbH soll die Planung vereinfachen, wenn alles in einer Hand ist. Zudem soll es unter Bundesaufsicht schneller gehen mit dem Aufbau von Ladesäulen für Elektroautos und der Strukturen für das sogenannte autonome Fahren. Am liebsten hätte ja die Bundesregierung die Autobahnen einer konzerngesteuerten Aktiengesellschaft übergeben und damit das Ganze komplett privatisiert. Das ist am starken Widerstand weiter Kreise der Bevölkerung einstweilen gescheitert. Dennoch geht die Privatisierung unserer Verkehrswege munter weiter.

Da werden nämlich 13 Autobahnabschnitte in Öffentlich-Privater-Partnerschaft (ÖPP) betrieben. Konzerne bezahlen den Ausbau und die Wartung für 30 Jahre. Dafür bekommen sie die Mauteinnahmen ihres Abschnittes. Als Vorwand dient die Ausrede, der Bund müsse dringend Autobahnabschnitte reparieren, habe aber aufgrund der Schuldenbremse kein Geld dafür. Doch die Schuldenbremse gibt es seit »Corona« gar nicht mehr. Der Bundesrechnungshof moniert, dass die ÖPP-Strecken erheblich teurer kommen als die öffentlich betriebenen Abschnitte.


DER STEUERZAHLER

WIRD ABGEZOCKT


Tatsächlich kommen die Privaten durch die Mauteinnahmen dennoch nicht auf ihre Kosten. Deshalb hat die Bundesregierung schon 220 Millionen Euro an die ÖPP-Betreiber heimlich nachgezahlt. Für wen und warum bleibt bis heute dem Steuerzahler verborgen. Allein nur um die sperrigen Verträge mit den privaten »Partnern« auszukaspern, hat der Bund 19,8 Millionen Euro für externe Rechtsanwaltskanzleien ausgegeben. Bei der Auftragsvergabe für privat betriebene Autobahnabschnitte kommen vornehmlich die großen Baukonzerne zum Zuge — mittelständische Betriebe bleiben dabei auf der Strecke.

Da verstehen wir auch besser, warum die CSU auf Teufel komm raus noch die PKW-Maut wollte. Eine Übergabe der öffentlichen Straßen an private Konzerne lässt sich nur finanzieren mit Mauteinnahmen. Und die LKW-Maut reicht da nicht aus. Das Scheitern der PKW-Maut kostete die Steuerzahler bislang 80 Millionen Euro. Die geprellten Maut-Betreiber fordern von der Bundesregierung 560 Millionen Euro Schadensersatz. Verkehrspolitik 2021: einfach nur bescheuert.


Hermann Ploppa ist Buchautor und Chef des Wirtschaftsressorts dieser Zeitung.







Dieser Text erschien in Ausgabe N° 55 am 16. Juli 2021




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