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SEINE HOHEIT KÖNIG JEFF BEZOS DANKT AB

Amazon-Alleinherrscher verlagert seine Befugnisse. Die ergebenen Hofchronisten der Mainstream-Presse überschlagen sich in Unterwürfigkeit.| Von Hermann Ploppa

Von Hermann Ploppa

Haben Sie schon mal erlebt, dass der Straßenbahnschaffner­Peter­Jedermann nach einem arbeitsreichen Leben in Rente geht – und alle Presseorgane über diesen hochverdienten Wechsel eines anständigen Mannes in den Ruhestand berichten? Natürlich nicht. Alle Schweine sind gleich, jedoch einige Schweine sind gleicher.



Wenn Jeffrey Preston Jorgenson alias Jeff Bezos nach 27 Jahren an der Spitze des von ihm gegründeten Online-Versandhauses Amazon sich aus dem operativen Geschäft als »CEO« verabschiedet und als geschäftsführender Vorsitzender des Verwaltungsrats von nun an eine ruhige Kugel schiebt, dann stehen alle Presseorgane des freien Wertewestens stramm und belobigen pflichtschuldigst den »größten Unternehmer unserer Zeit«.

So titelt das durchaus ehrenwerte Handelsblatt in seiner aktuellen Wochenendausgabe und stellt auf gefühlten zehn Seiten immer neue Rekorde im Huldigen auf. Im Feudalismus gab es die Literaturgattung der Panegyrik. Bezahlte Hofschranzen bekamen Goldtaler dafür, ihren Herrn so positiv wie möglich darzustellen. Und Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes singt zur Harfe: »Mit seinem Managementstil hat Bezos eine ganze Generation von Führungskräften geprägt. Seine Formel: kompromisslose Kundenorientierung, Reinvestieren aller Gewinne, Nonchalance gegenüber den Begehrlichkeiten des Kapitalmarkts – und, ja, auch Härte.«

Und während sich die Aldi-Könige auf ihrem billigen Käse ausruhen, tritt Bezos im Hollywood-Schinken »Star Trek« als Horror-Alien auf und wird noch in diesem Sommer mit seinen BlueOrigin-Raketen superreiche Touristen ins Weltall schießen – vermutlich mit Rückreiseoption. Bisweilen wirkt Bezos schon selber wie eine Computeranimation. Irgendwie transhumanistisch. Und während die Mainstream-Presse über König Bezos I. grundsätzlich nur Gutes zu künden weiß, wollen wir einen gewissen Ausgleich schaffen und ein paar Fakten zum Vortrag bringen, die der gnädige Herr der Internet-Versandpakete sicher nicht so gerne hört.


STEUERTRICKSER ZERSTÖRT EINZELHANDEL


Die Finanzbeamten dieser Erde bekommen nämlich regelmäßig einen gehörigen Adrenalinschub, wenn sie den Namen »Bezos« vernehmen. So wagte die Europäische Union, Mister Bezos im Jahre 2014 untertänigst daran zu erinnern, dass er der Solidargemeinschaft der Steuerzahler für die Jahre 2006 bis 2014 250 Millionen Euro nachzuzahlen habe. Nun wissen wir alle, dass die Corona-Hysterie die Menschen dazu zwang, ihren Bedarf an nicht essbaren Gütern hauptsächlich über Online-Versandhäuser zu decken.

Tatsächlich konnte Amazon im Jahre 2020 seinen Umsatz in Deutschland um 33 Prozent steigern auf nunmehr 24,7 Milliarden Euro. Europaweit setzte Amazon im Corona-Jahr 2020 44 Milliarden Euro um. Das ergäbe ja eine erkleckliche Steuereinnahme für den europäischen Fiskus. Ja, wenn nicht Amazon seinen Firmensitz in Luxemburg hätte. Und der Graf von Luxemburg lässt es zu, dass Bezos sich als nackter Mann präsentiert, der sage und schreibe 1,2 Milliarden Verlust geltend macht! Also beschenkt das Finanzamt Mister Bezos für 2020 mit einer Steuergutschrift in Höhe von 56 Millionen Euro, die bei zukünftigen Gewinnmel-dungen abgezogen werden können.

Da befindet sich Bezos in guter Gesellschaft. Denn die Fair Tax Foundation(Gerechte-Besteuerungs-Stiftung) schätzt, dass die großen internetbasierten Konzerne Amazon, Facebook, Google, Netflix, Apple und Microsoft auf diese Tour in den letzten zehn Jahren etwa schlappe einhundert Milliarden Euro Steuern unterschlagen haben.

Auch die Gewerkschaften lieben Mister Bezos nicht. Der Internationale Gewerkschaftsbund widmete im Jahre 2014 Bezos einen ganzen Kongress und wählte ihn zum »Schlechtesten Boss der Welt«. IGB-Chefin Sharan Burrow findet, dass Amazon seine Mitarbeiter wie Roboter behandelt. Tariflohn? Unbekannt. Bezos lässt seine Leute durch das firmeneigene Global Security Centerbeaufsichtigen und disziplinieren. Die berüchtigte Firmendetektei Pinkerton platziert Agenten in der Belegschaft. Die Mitarbeiter trauen sich nicht aufs Klo, weil auch die Länge der Notdurft genau registriert wird. Trotzdem haben die tapferen Kolleginnen und Kollegen im Amazon-Betrieb in Bad Hersfeld durch unermüdlichen Arbeitskampf immerhin einen Betriebsrat durchsetzen können.

Besondere Verdienste gelangen dem Amazon-Mitarbeiter Christian Krähling mit einer intelligenten und geduldigen Strategie, die Lage der Amazon-Arbeiter zu verbessern. Leider verstarb Krähling am 10. Dezember 2020 plötzlich und ohne Vorerkrankungen an seinem 43. Geburtstag. Mögen die anderen Zeitungen Jeff Bezos belobigen bis über jede Schamgrenze hinaus. Wir vom Demokratischen Widerstand würdigen stattdessen Christian Krähling und die mutigen Amazon-Mitarbeiter.





Dieser Text erschien in Ausgabe N° 54




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