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GEGEN ANTIDEUTSCHEN ANTISEMITISMUS

Von Übertreibungen bis Fanatismus in Regierung und Konzernmedien – eine Gratwanderung zu echter Menschenfreundlichkeit

Von Ralph T. Niemeyer

Nun, da wir uns immer detaillierter mit der Schaffung einer ersten, wirklich souveränen, deutschen Verfassung auf Basis von 1871 befassen, ist es angebracht, sich Gedanken über eine Staatsräson zu machen, insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte, der beiden Weltkriege, dem Holocaust, der deutschen Teilung und dem Scheitern der Bundesrepublik Deutschland in der Corona-Krise. 

Jede Kritik an den bestehenden Verhältnissen und die Aufdeckung der Legenden der gegenwärtig über uns Herrschenden wird von Mainstream-Medien und der etablierten parteipolitischen Elite der BRD fast ausnahmslos mit dem Vorwurf des Antisemitismus und Holocaustleugnung totgeschlagen – dem Versuch nach. So als sei Kritik an schnellen Impfzulassungen, Grundrechteeinschränkungen und Freiheitsberaubungen aufgrund einer vermeintlichen »epidemischen Lage von nationalem Ausmaß«, Kritik am Weltfinanzkapitalismus, dem Imperialismus der USA und ihrer Verbündeten und dem neoliberalen Raubtierkapitalismus der vergangenen 30 Jahre eine Frage von Jüdischsein oder Linkssein.

Es ist schon merkwürdig, wer sich ungefragt welchen Schuh anzieht, denn warum sollte Corona oder die Finanzkrise etwas mit nur einer Bevölkerungsgruppe oder Religionsgemeinschaft zu tun haben?? Warum wird behauptet, Kritiker der Corona-Verordnungen, des Infektionsschutzgesetzes oder der Bankenunion seien antisemitische Holocaustleugner? – Diese schrecklichen Propagandatricks funktionieren nur, weil die entsprechende jahrzehntelange Gehirnwäsche der Staats- und Konzernmedien ihre Spuren hinterlassen hat. Die Bevölkerung Deutschlands will zu den »Guten« gehören, endlich mal nicht der böse Nazi sein, nicht für Eugenik, Weltkrieg, Konzentrationslager und Verfolgung verantwortlich sein. Ausgerechnet in dieser Lage wird vermeldet, dass die Mehrzahl der Israelis mit dem deutschen Impfstoff »versorgt« wurde. Man weiß manchmal gar nicht mehr, wohin man zuerst wegschauen soll.

EINMAL NUR ZU DEN GUTEN GEHÖREN

Also: Machen wir uns daran. Klären wir also nun ein für alle Mal unsere Staatsräson für die Zeit nach dieser Bundesrepublik Deutschland, weil es notwendig ist. Wie stehen wir zu unserer Geschichte, wie zum Staat Israel, wie zu den Palästinensern, der wechselseitigen Gewalt? Seien wir ehrlich: Die Hamas ist nicht sauber von terroristischen Taktiken, die die meisten Palästinenser unter normalen Umständen ablehnen würden. Ebenso repräsentiert der rechtsgerichtete Zionismus nicht das Volk Israel, vor allem nicht, indem er die Opfer des Holocaust verspottet, indem er die Shoah als Rechtfertigung für die Tötung von Zivilisten, unter ihnen viele Kinder, einsetzt. Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung wie jede andere Nation. Aber es sollte verstanden werden, dass die Hamas durch Überdruck geboren wurde. Arafat und Rabin vereinbarten die Zwei-Staaten-Lösung, die der Gromyko-Plan bereits 1947 forderte. Seitdem wurde ein Fehler zu einem anderen hinzugefügt, vor allem durch die israelische Regierung. Im Krieg zwischen Israel und Gaza geht es, wie bei allen Kriegen, auch um Ressourcen. Religion und Rassismus werden nur zur Rechtfertigung und Vertuschung der wahren Gründe benutzt. Das ist seit den ersten Kriegen der Menschheitsgeschichte so.

Das Tamar-Gasfeld 90 km vor der Küste Haifas, der Geburtsstadt meiner Großmutter väterlicherseits, enthält 240 Milliarden Kubikmeter Erdgas, das Leviathan-Gasfeld 130 km vor der Küste Palästinas würde es auf 450 Milliarden Kubikmeter Gas bringen. Israel und Palästina hatten sich 1993 in Oslo auf eine Zusammenarbeit im Energiebereich geeinigt, doch aufgrund des andauernden Krieges wird es unmöglich. Israel will nicht mit der Hamas umgehen. Verständlich, aber niemand will den Punkt sehen, dass die Hamas nicht existieren oder nur marginalen Einfluss haben würde, wenn Israel die Errichtung eines palästinensischen Staates zuließe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es für uns in der Bundesrepublik Deutschland zur Staatsräson geworden, Israel zu unterstützen, obwohl wir wussten, dass die Eroberung Palästinas durch die Vereinten Nationen im Jahr 1947 die gleichen ungesunden Nebenwirkungen haben würde, die im Falle Irlands aufgetreten sind, nachdem es 1171 von König Heinrich II. erobert worden war. Nicht selten wird übersehen, wie bösartig sich ein besetztes Volk verhalten kann.

Nichtsdestotrotz sind wir Deutschen, die wir seit dem 3. Oktober 1990 wieder unter einer Nation vereint, aber nicht vollständig souverän sind, und durch die Einbeziehung der ehemaligen Ostdeutschen, denen während der sowjetischen Herrschaft eine negative Haltung in Bezug auf Israel gelehrt wurde, immer noch mit der sogenannten »kollektiven Schuld« konfrontiert. Ich bin der Meinung, dass es keine »Kollektivschuld« gibt, sondern dass es eine kollektive Verantwortung geben sollte, es nie wieder geschehen zu lassen. Aber worin besteht unsere Staatsräson nun, und wie soll sie im Deutschland nach dem Ende der Besatzungszeit ausgestaltet sein?

KOLLEKTIVE VERANTWORTUNG STATT KOLLEKTIVSCHULD

Was bedeutet Staatsräson, also »raison d`état«, wirklich? Sie wird in der Regel der konservativen politischen Doktrin zugeschrieben. Ganz zynisch kommt eine Bemerkung des preußischen Königs Friedrich II. daher: »Du kannst so viel denken, wie du willst, solange du gehorsam bist.« Dies ist sicherlich eine Fehlinterpretation dessen, was eine »raison d’état« darstellen sollte. Machiavelli schrieb 1525, dass die »raison d’état« den Herrscherermächtigte, so er denn wolle oder nicht, Gebrauch von Moral zu machen, was auch immer dem Zweck dienlich ist. Die moderne Gesellschaft in einer Demokratie sollte ihre Optionen sorgfältig abwägen, wenn es darum geht, eine Daseinsberechtigung zu definieren. Unsere Demokratien sollten nicht nur mitschwingen in einer subalternen Beziehung zur Staatsmacht, die bis heute multinationalen Konzernen und Banken den roten Teppich für Steuerhinterziehung, Downsizing, Privatisierung und Deregulierung ausrollen. Der Imperialismus war buchstäblich tot, nachdem der osteuropäische Sozialismus implodiert war, denn seit dem Fall der Berliner Mauer wird uns gesagt, dass die Globalisierung nicht imperialisitisch sei, sondern Freiheit und Demokratie gebracht habe und schließlich allen Nationen Frieden bringen werde. Und himmlische Chöre werden singen.

PERMANENTE RELATIVIERUNG DER FASCHISTISCHEN PERVERSION

Warum wird der imperialistische Ansatz jeder US-Regierung und der israelischen Regierung direkt mit dem Trauma der jüdischen Bedrohung und Verfolgung über Hunderte von Jahren verbunden? Moshe Zuckermann sagte am 14. April 2008: »Welche Ideologien auch immer das israelische Shoah-Gedenken bestimmen mögen, es kann nicht geleugnet werden, dass die Shoah die grundlegende Matrix für die Gründung des Staates Israel bleibt.«

Ich stimme voll und ganz zu, möchte aber hinzufügen, dass bei der Gründung des israelischen Staates tragische Fehler gemacht wurden, da die progressiven Bewegungen in der arabischen Bevölkerung Palästinas die UN-Resolution über den britischen Truppenabzug und die Gründung zweier unabhängiger Staaten trotz des Aufbegehrens der Nationen der Arabischen Liga nach dem 15. Mai 1948 und trotz entsetzlichen Terrors ignoriert wurden.

Die arabische Bevölkerung Palästinas kämpfte gegen den Rückzug der arabischen interventionistischen Kräfte und für die Gründung eines palästinensischen Staates, wie es von den Vereinten Nationen befürwortet worden war, und für eine demokratische und unabhängige Regierung um mit dem jüdischen Staat auf gleicher Ebene zusammenzuarbeiten. Die Kriege gegen den Irak, Afghanistan, Syrien und die Repression gegen den Iran sind eindeutig imperialistische Ziele, aber der Begriff »Imperialismus Israels« ist de facto verboten, obwohl Israel tatsächlich eine wichtige Rolle bei den imperialistischen Zielen der USA und der NATO-Staaten spielt. Die Verbindung mit der Shoah als Begründung herzuleiten, wird den Opfern des Nazi-Regimes nicht gerecht. Wer Lager wie Auschwitz überlebt hat, will doch nicht Krieg und Ausbeutung, sondern Frieden und Ausgleich.

NAHOST-KONFLIKT WIRD NICHT IN DEUTSCHLAND GELÖST

Legendär bleibt die Rede des Chefdelegierten Andrej Gromyko am 14. Mai 1948 bei den Vereinten Nationen: »Man sollte nicht die Tatsache verdecken, dass Palästina von zwei Völkern bewohnt wird, einem arabischen und einem jüdischen. Beide Völker haben ihre Wurzeln in dem Gebiet. Die historische Vergangenheit und vor allem nicht die Realität, die in unserer Zeit geschaffen wurde, rechtfertigen keine einseitige Lösung der Palästinafrage, weder durch die Errichtung eines unabhängigen arabischen Staates, der weder den legitimen Rechten der Juden entspricht, noch durch die Errichtung eines unabhängigen jüdischen Staates, der den legitimen Rechten der Araber widerspricht. (...) Eine gerechte Lösung wäre am besten in der Gründung eines arabisch-jüdischen unabhängigen und demokratischen Staates ausgedrückt, (...) sollte sich jedoch herausstellen, dass aufgrund der zerrütteten Beziehung zwischen jüdischen und arabischen Palästinensern das unmöglich geworden ist, dann (kommt die) Teilung des Landes in zwei unabhängige und selbstbestimmte Staaten, einen jüdischen und einen arabischen.«

ISRAELISCHE FRIEDENSBEWEGUNG

Die israelische Friedensbewegung »Gush Shalom« warb 2009 in der Tageszeitung Haaretz: »Erst wenn der erste Unabhängigkeitstag eines souveränen Palästinas gefeiert wird, wird die Zukunft des souveränen Israel gesichert sein.« Unterdrückte Solidarität kann nicht behaupten, aus Faschismus und Holocaust gelernt zu haben. Unsere Solidarität als Deutsche und Europäer wird sowohl mit der Friedensbewegung in Israel als auch mit den Unterdrückten in Palästina geschlossen sein. Die Geschichte verpflichtet uns, uns voll und ganz für den Kampf gegen Faschismus, Imperialismus, Rassismus, Antisemitismus und Islamphobie einzusetzen, und sie verpflichtet uns, uns zu einer humanen Politik gegenüber Geflüchteten und Asylsuchenden und zumindest einer Hauptkritik am Kapitalismus zu bekennen. All dies kennzeichnet nicht die gegenwärtige deutsche und die EU-Politik. Es ist vielmehr so, dass sich die Regierung und die Mainstream-Medien darauf konzentrieren, die von den Faschisten begangenen Verbrechen auf deren kranke Rassenideologie zu reduzieren, die in der Tat beispiellos und entsetzlich war. Aber die Verbrechen des Nazi-Regimes lassen es nicht zu, darauf reduziert zu werden.

Der industriell organisierte brutalste Massenmord an Juden, Roma, Sinti, Kommunisten, Homosexuellen und vielen anderen Menschen, die den Faschisten im Weg standen, wäre ohne den von der im Düsseldorfer Industrieclub vereinten deutschen Schwerindustrie und Hochfinanz initiierten Zweiten Weltkrieg unmöglich gewesen. In der Zeit nach der Besatzung müssen wir für einen offenen Umgang mit dem Holocaust eintreten, denn alles andere erlaubt weder ein ehrliches Shoah-Gedenken, noch würde es immer wieder aufkeimenden Antisemitismus verhindern. Diese neue Staatsräson ist unsere kollektive Verantwortung, die aus der Schuld der deutschen Faschisten am Holocaust erwachsen ist. 




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 40 am 12. März 2021




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