Im Interview mit Michael Ballweg, Gründer von Querdenken-711, sprechen wir über ein Jahr Ausnahmezustand seit Ausrufung der Pandemie, die Erfolge und Lernkurven seiner Bewegung und das, was die gesamte Demokratiebewegung jetzt bewirken kann.
DW: Herzlich Willkommen in Berlin. Wir haben Sie hier lange nicht mehr begrüßt. Was treibt Sie in die Hauptstadt?
M. B.: Vielen Dank, ich bin immer wieder gern hier. Schließlich haben wir alle gemeinsam vergangenes Jahr mit den beiden August-Demonstrationen mit vielen Hunderttausenden Besuchern Demokratiegeschichte geschrieben. Heute bin ich allerdings nur auf der Durchreise, wir fahren weiter Richtung Rostock und ich möchte natürlich die Möglichkeit nutzen, um etwas Öffentlichkeitsarbeit für unsere Bewegung zu machen. Es gibt schließlich nach der langen Winterzeit viel zu erzählen. Wir haben zwar eine Demonstrationspause gemacht, aber dennoch gearbeitet: Unsere Netzwerke stehen, unsere Strategien sind neu aufgesetzt und wir haben uns reflektiert. Es war ein aufregendes Jahr mit einer wahnsinnig schnellen Dynamik.
Wir blicken auf fast ein Jahr Ausnahmezustand zurück. Welche Eindrücke sind Ihnen im Gedächtnis geblieben? Welche Bilder? Welche Gefühle?
Für mich persönlich war es ein Jahr voller Tiefe, mit allen großen Gefühlen. Von meiner ersten kleinen Demonstration in Stuttgart im April bis hin zu den großen August-Demonstrationen lagen nur ein paar Monate – die Ereignisse überschlugen sich. Das wird einem immer erst hinterher bewusst. Ich habe sehr viele, neue Menschen kennengelernt. Wir haben uns auseinandergesetzt, Fehler gemacht, gelernt, weitergemacht . Der Zusammenhalt in unserer Bewegung nach alledem trägt mich bis heute. Und vor allem die Stimmung, die voller Lebensenergie und Freude ist. Wenn ich an die fröhlichen und tanzenden Menschen auf unseren Demos denke, dann freue ich mich auf den Frühling und die kommenden Versammlungen. Anderseits sind da natürlich auch die Erinnerungen an die Polizeigewalt, insbesondere in Berlin. Doch es überwiegt das Gute: Wir haben 2020 den Aufbruch geschafft, jetzt gibt es viel zu tun.
Sie sprechen offen von Fehlern. Ein Kritikpunkt, der Ihnen auch innerhalb der Bewegung vorgeworfen wird, ist das Treffen mit dem Aktivisten Peter Fitzek aus der Reichsbürgerbewegung. Gibt es Dinge, die Sie heute anders machen würden?
Grundsätzlich würde ich nichts anders machen. Die Umsetzung war allerdings nicht optimal. Mein Team hatte Ende vergangenen Jahres einen Termin mit Fitzek ausmachen können, während ich mich gerade in seiner Region privat aufhielt. Mich interessierten seine Ideen und Konzepte für neue Formen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das Treffen sollte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, mit ausgesuchten Teilnehmern. Vor Ort stellte sich dann alles anders heraus, wir hatten sogar Pressevertreter dabei, später auch noch die Polizei. Da stimmten einige Dinge intern auch nicht, wir hatten undichte Stellen. Das haben wir mittlerweile behoben, sind durch eine Art Katharsis gegangen und stehen heute enger und besser zusammen als zuvor. Wenn Sie auf den Gesprächspartner an sich abzielen, kann ich Ihnen nur sagen, dass ich erst einmal mit jedem Menschen rede. Wenn ich einen Gesprächspartner ausschließe, weil Medien über ihn negativ berichten, dann bleibe ich mir selbst nicht treu. Und auch nicht der Plattform Querdenken: Wir öffnen den Debattenraum, wir schließen ihn nicht.
Was genau haben Sie dieses Jahr vor? Wird Querdenken sich inhaltlich neu ausrichten? Welche Ziele haben Sie und Ihr Team sich gesteckt?
Die grundsätzliche Ausrichtung und Struktur von Querdenken bleibt so bestehen, wie sie ist: Querdenken ist die Plattform für einen offenen Debattenraum. Bei uns ist jeder willkommen, der sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt, wir schließen niemanden aus. Wir sind eine außerparlamentarische Bewegung, die zukünftig noch mehr Einfluss auf die aktuelle Politik nehmen möchte und die sich noch stärker als Meinungsplattform positionieren wird. In unserer Struktur bleiben wir weiterhin dezentral organisiert – und mein Fokus liegt natürlich auf Querdenken 711, da bin ich zuhause. Daher freue ich mich, heute schon verkünden zu dürfen, dass wir drei große Demonstrationen dieses Jahr umsetzen werden. Die erste wird am 3. April in Stuttgart sein und die zwei weiteren am 1. und 29. August in Berlin.
Sie haben als Ziel genannt, Querdenken als Meinungsplattform stärker zu etablieren. Wie wollen Sie das genau machen?
Im vergangenen Jahr haben wir den gesellschaftlichen Aufbruch geschafft und sind mit Querdenken ein wesentlicher Teil der großen Demokratiebewegung in Deutschland geworden – gegen jedes mediale Framing und jede mediale Verleumdung. Wir haben uns durchgesetzt. Jeder, der auf unseren Demonstrationen war, weiß, dass wir eine friedvolle und demokratische Bewegung auf Basis des Grundgesetzes sind, egal, was die Leitmedien berichten. Das wird sich auch weiter herumsprechen, da bin ich mir sicher. Für unser Bühnenprogramm hat das neue Jahr neue Inhalte. Über Corona ist alles gesagt, die Fakten liegen auf dem Tisch. Jetzt geht es darum, dass wir uns gemeinsam fragen, wie wir zukünftig leben wollen. Unabhängig davon, was sich andere Menschen für uns ausgedacht haben – Stichwort Great Reset, wer auch immer dahintersteckt – wir entscheiden selbst, wie wir leben wollen. Und das mit vereinten Kräften. Wir von Querdenken möchten Menschen mit Konzepten und Prototypen für die Gestaltung unserer Gesellschaft eine Plattform bieten – sowohl im analogen als auch digitalen Raum.
Das heißt, es geht jetzt konkret darum, gemeinsam neue Konzepte zu entwickeln, wie wir zukünftig miteinander leben wollen?
Genau. Es gibt viele Experten, die zu Recht warnen, was da alles auf uns zukommt, Stichwort: Finanzkrise. Wir möchten aber nicht wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen, sondern unsere Zukunft in die Hand nehmen. Wir helfen dabei, dass Menschen aus allen Disziplinen gemeinsam konkrete und umsetzbare Lösungen zu neuen Herausforderungen erarbeiten, quasi in die kollektive Eigeninitiative kommen. Wenn wir auch zukünftig gut zusammenleben wollen, müssen wir uns wohl neu darauf verständigen, was das für uns bedeutet. Für mich heißt das zum Beispiel, mehr auf lokale Strukturen zu setzen anstatt auf globale, neue Arbeitszeitmodelle zu durchdenken, mehr im Einklang mit der Natur zu leben und so weiter. Zentrale Fragen unseres Zusammenlebens können wir jetzt für die Zukunft neu beantworten.
Was wünschen Sie sich für dieses Jahr?
In Deutschland leben viele talentierte Menschen, mittlerweile aus der ganzen Welt. Wenn wir uns alle aus der gesamten Demokratiebewegung zusammenschließen, dann haben wir eine große Chance, eine Veränderung zum Guten herbeizuführen.
Die Fragen für den DW stellte Nadine Strotmann.