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Glosse

»DEMOKRATIE IN RÄTEN!«

Von Jill Sandjaja

Das letzte Wochenende habe ich kaum geschlafen, kaum gegessen. Zu aufgeregt war ich. Viele Gedanken schwirrten durch meinen Kopf: Ob Helge Schneider wohl kommt?

Tja, und dann der Verein »Freunde des Mauerparks e.V.«, der sich im Vorfeld schon mit dem Statement »Wir sind nicht eure Bühne« gegen unsere Veranstaltung gewendet hat. Werden die sich trauen, einen demokratischen Beitrag zu leisten — oder belassen sie es bei der faden Aussage?

Oder die Obdachlosen, die ich schon vor zwei Wochen in Schöneberg eingeladen hatte? Was ist mit den Schwurbel-Partei-Antifas? Werden sie vorbeischauen und mir ins Gesicht sagen, dass ich ein Nazi, ein Antisemit sei? Mir, der man deutlich ansieht, dass mein Blut ganz und gar nicht sowas wie arischer Natur ist und, dass mein Opa Jude war — das würde für die Verwirrten wohl auch keine Rolle mehr spielen. Hauptsache ANTI! Na, Herzlichen Glückwunsch! Und dann noch so schön regierungstreu, nicht? Vielleicht doch eher Partei‘ntifa?

Die paar Versprengten haben längst den Preis gewonnen für das gegenseitige Zerfleischen der Linken. Sie verfügen schon länger nicht über mehr als zwei Vokabeln: Gegen Rechts. Wobei rechts im Grunde alles sei, was nicht für die totale Konzernherrschaft arbeitet.

Früher war das anders. Zur Erinnerung: In den 1970er Jahren griffen Antifagruppen das Signet der »Antifaschistischen Aktion« von 1932 auf. Beide Fahnen und der Rettungsring waren damals rot und standen für Sozialismus und Kommunismus.

In den 1980er Jahren wurde die kleinere Fahne als Zeichen für den autonomen Anarchismus schwarz; seit 1989 zeigen die Fahnenstangen immer nach rechts.

Gruppen, die dieses Symbol verwenden, verstehen Faschismus im Anschluss an die neomarxistische Kritische Theorie als besondere Form des Kapitalismus und Antifaschismus als Teil eines revolutionären Kampfes zur Überwindung jeder Klassengesellschaft.

Um sich von »bürgerlichen« oder »STAATSKONFORMEN« Antifaschisten abzugrenzen, bezeichnen sie sich als »autonome«, »militante« oder »unabhängige Antifaschisten«. Gleichwohl können sie situativ auch Bündnisse mit anderen zivilgesellschaftlichen Gruppen anstreben.

Bevor die vorpubertären, hormongeladenen Kindmenschen, alles, was ihre Rottenführer*in sagt, nachplappern, wäre es angemessen, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen.

Und nun einmal persönlich: Ich appelliere an eure Solidarität. Hört auf mit der Hetze! Lasst uns beim Thema bleiben. Wir sind keine Verschwörungstheoretiker, nur weil wir eine eigene Meinung haben und uns eine neue Demokratie wünschen. Vielleicht kommt jetzt auch noch der beliebte Satz »Leave No One Behind« von euch. Dann nehmt ihn euch zu Herzen. Wir müssen zusammen halten!

Ich bin jetzt wieder ausgeschlafen, habe gut gegessen und ich meine, dass unsere Veranstaltung »Demokratie im Mauerpark« einmal mehr veranschaulichen konnte, worum es uns eigentlich geht.

Wir lassen uns nicht einfach sagen und glauben machen, was »gut«, was »böse«, was links, was rechts, was eine wahre Pandemie, was ein Grippevirus ist. Wir sind denkende, kritische Menschen, Antifaschisten und NICHT regierungskonform.

Die Regierung hat vielleicht mehr Macht, mehr Geld und wird gestützt durch profitgeile Hengste, aber was sie nicht hat, ist ein Herz — geschweige denn das Bedürfnis, sich wirklich um die Gesundheit der BürgerInnen zu kümmern. Siehe die letzten 20 Jahre Fehlentscheidungen unserer Regierenden! Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei allen Teilnehmern bedanken für die unterschiedlichen Redeund Musikbeiträge. Und für ihre Unterstützung.

Es waren Ärzte, Heilpraktiker, Flüchtlinge, besorgte Eltern, Musiker, Philosophen, Arbeitslose, auch ein Vertreter der Bergpartei war zu hören. Danke für diese Vielfalt! So war es möglich, den Protesten eine Stimme und ein Gesicht zu geben. Eine Vision, eine Forderung, ein Bericht und eine Kritik in einer öffentlichen Runde ist der Anfang für eine echte Demokratie. Die neue Demokratie einfach mal starten! - ist mein Motto. Reden, reden, reden! Machen, machen, machen. Jeder von uns ist ein mündiger Bürger. Wir können nicht immer nur anderen den schwarzen Peter zuschieben, während wir faul vor Netflix hocken.

Bittelasstunsüberunsselbstbestimmen. Ich fordere eine Räterepublik! Ich fordere ein Miteinander! Ich fordere einen außerparlamentarischen Untersuchungsausschuss! Ich möchte mich auf etwas Positives und auf unsere Zukunft konzentrieren. Ich protestiere solange, bis unsere Regierung abgedankt hat. Diese Regierung ist fertig, ich aber nicht. Nur weil die Maßnahmen gelockert werden, lasse ich nicht locker! 




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 7 am 05. Juni 2020




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