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»ANGST ESSEN SEELE AUF«

INTERVIEW mit dem pensionierten Journalisten Siggi Ober-Grefenkämper.

Von Hannes Henkelmann

DW: Was machen Sie beruflich?

Siggi Ober-Grefenkämper: Ich bin seit sechs Jahren aufgrund von Depressionen und Angststörungen in der Erwerbsminderungsrente. Davor habe ich als Journalist für eine Tageszeitung gearbeitet.

Bevor wir auf das Thema Corona zu sprechen kommen, können Sie bitte Ihren Krankheitsverlauf und Ihre Symptomatiken umreißen?

Nun, mein Leben in der Kindheit war von Gewalt und als Erwachsener von der Angst vor Kontrollverlust geprägt. 55 Jahre trug ich eine unsichtbare Maske, weil niemand wissen sollte, dass ich unter Depressionen litt und Angst mein ständiger Begleiter war. Hinter meiner nach außen zugewandten, lauten, oft fröhlichen Fassade steckte ein Mensch, der diese Maske wie ein Schutzschild trug, um in der Gesellschaft zu bestehen, zu überleben, um respektiert, geliebt und anerkannt zu werden. Und das kostete brutal viel Kraft. Nach etlichen Klinikaufenthalten und nur mit der Hilfe von Familie, Freunden und Therapeuten hatte ich gerade diese Maske ablegt und konnte relativ frei und ohne Angst vor Zwang und Kontrollverlust leben, da kam Corona.

Was bedeutet die Epidemie für Ihr Leben und Ihre Erkrankung?

Jahrzehnte habe ich darum gekämpft meine »unsichtbare« Maske abzulegen und mit einmal zwang man mich, mir diesen Lappen aufzusetzen. Unter diesem Instrument der »Staatsgewalt« bekam ich nicht nur keine Luft, sondern es ließ auch meine Vergangenheit wieder lebendig werden. Umgehend stellte mir mein Arzt ein Attest aus, das sich aber, wenn ich an die unzähligen, polizeilichen Kontrollen und die Diffamierungen meiner Mitbürger denke, nicht nur als Segen erwies.

Nicht zu vergessen, dass mir jeder Maskenträger signalisiert, Achtung, »Gefahr im Verzug«. Schütz dich oder stirb. Wenn ich nicht aufpasse, gerate ich wieder in eine Spirale aus Verunsicherung, Angst, Panik oder das Gefühl für etwas bestraft zu werden – mein Gott, ich will das nicht mehr!

Und der Lockdown und weitere Maßnahmen machten es sicher noch schwieriger?

Mir persönlich haben die strengeren Regeln all die Dinge genommen, die mir gut taten – vor allem die sozialen Kontakte, wie Singen und Kochen im Verein – alles brach wie ein Kartenhaus zusammen. Und die Überschrift für den Zustand, in dem sich unsere Gesellschaft befindet, kann nur lauten: Angst essen Seele auf. Eine Debatte über Corona zu führen, scheint schier unmöglich, da die ständige Panikmache der Medien zu veränderten Denk- und Verhaltensmustern der Menschen geführt hat. Mir sind aber einige Freunde geblieben, die genau wie ich kritisch der Situation gegenüberstehen. Wir trotzen den auferlegten Bestimmungen mit einer informierten und freien Meinungsbildung.

Das klingt danach, dass Sie sich durchaus kritisch äußern. In welcher Form leisten Sie Widerstand?

Ich bin zwar gesundheitlich eingeschränkt – aber nicht handlungsunfähig. Ich informiere mich, ich will verstehen, was los ist – das ist mein gutes Recht. All die Zahlen und Fakten, die Vorschriften, die Einschränkungen, die mir täglich begegnen, darf ich hinterfragen, ich darf recherchieren. Das erlaube ich mir und das ist legitim. Ich will nicht mehr schweigen, mir den Mund verbieten lassen oder misshandelt werden.

Haben Sie eine Lebensphilosophie entwickelt?

Ja, ich habe in den Jahrzehnten mit meiner Krankheit gelernt, was zu mir gehört und mir Freude bereitet. Zum Beispiel moderiere ich die Radiosendung die »Gesunde Stunde«. Dort diskutiere ich immer mit einem guten Freund über Gesundheitsthemen – momentan natürlich ausschließlich über die aktuelle Corona-Politik.

Daraus schöpfe ich Hoffnung: Ich kann mich dem Wind, der mir entgegenweht, stellen. Ich kann auf meiner Arche Noah versuchen, die Segel anders zu setzen. Segel auf denen Aufklärung, Freiheit, Grundrechte, Gesundheit steht – eben alles, für das ich immer gekämpft habe. Ich möchte in einer Welt leben ohne Isolation, Entfremdung, Angst, Verunsicherung, Manipulation und Lügen. Ich probe keinen Aufstand. Ich habe ein Ziel, an das ich glaube und für das ich kämpfe.

Ich will nicht mehr, dass Angst mein Leben und das vieler Menschen auf der Welt beherrscht. Nicht mehr und nicht weniger! 


Die Fragen stellte Hannes Henkelmann.




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 34 am 22. Jan. 2021




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