Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer. Wenn diese Einschätzung Goyas zutrifft, könnten sich auch im normalen Erkenntnisprozess derartige Un- geheuer breit machen, da wo der bloßen Empfindung bekanntlich die aktivere Wahrnehmung folgt, die später im günstigsten Fall zur Erkenntnis reift. Die alten Grie- chen unterschieden noch nicht so scharf die Empfindung von der Wahrnehmung und prägten für beide das Wort »Aisthesis« – was uns dazu verführt hat, darunter lediglich eine Disziplin, die Ästhe- tik, zu verstehen.
Dies im Hinterkopf stelle ich mir die Frage, wie es im Lichte der Erkenntnistheorie mit der Konfrontation des Menschen mit dem Coronavirus bestellt ist. Dieses Wesen löst ja kaum eine direkte Empfindung aus, weil es sinnlich schwer fassbar ist –, was ja zum Bösen neigende Eliten dazu ermuntert, die Bevölkerung in einen Statistikwahn und eine passive Befindlichkeit zu treiben: die diffuse »Befindlichkeit der Angst« (so zu Recht M. Heidegger), die sich heute mit Bildern vermengt. Hier stockt dann der Prozess der Erkenntnis: Es kommt zu keiner Wahrnehmung, also einer sinnlichen Auseinandersetzung mit Virus und Krankheit – und noch ferner rückt eine Erkenntnis, die weitere Zusammenhänge und wissenschaftliche Diskurse mit einbezieht. Was aber bleibt dann?
Strömen nicht in diese Lücken in der menschlichen Aneignung der Welt die Ungeheuer ein – die diesmal schon bei Tag Lähmungen hervorrufen und zuletzt die Grundpfeiler des gesunden Menschenverstandes zum Einsturz bringen? Wie die Kultursoziologin Yana Milev herausfand, kann man dieser dumpfen und für visuelle Manipulationen anfälligen Befindlichkeit nicht mit den üblichen Mitteln der Aufklärung begegnen: Diese kommen heute nicht mehr an gegen die zumeist inszenierten Bilder, die in Windeseile den weltweiten Aufmerksamkeitsmarkt überschwämmen. Es ist dann auch völlig egal, ob diese Bildinszenierungen gut oder amateurhaft schlecht gemacht sind oder sich später als falsch herausstellen. Wichtig ist, dass sie in einem erhitzten Umlauf sind und ein freies Leben blockieren, das sich nur über Wahrnehmung und Erkenntnis souverän macht. Das ist dann kein nächtlicher Albtraum der Vernunft mehr – das ist ihr tagheller Abgesang.