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OppositionsgründerInnen werden in Berlin durch das neue Terror-Regime verfolgt

Von Florian Daniel

Wir wollten doch »nur« eine Zeitung verteilen — und nicht etwa zu Massenmördern werden oder sowas.

Dies ist ein Ausdruck unseres Protestes. Im wahrsten Sinne des Wortes. Friedlich. Und zwar ohne erneut von insbesondere jüngeren männlichen testosterongetriebenen Polizeibeamten am Boden fixiert und in Handschellen zur stundenlangen erkennungsdienstlichen Polizeischikane wegverbracht zu werden. Einfach so. Diesen wundervoll freien, da spendenfinanzierten DEMOKRATISCHEN WIDERSTAND verteilen, von denen Sie liebe Leserin, lieber Leser gerade ein druckfrisches Exemplar in den Händen halten. Vorsicht, färbt ab!

Platzverweise im Nachhinein? Sowieso. Präventive Aufenthaltsverbotsverfügungen unter Strafandrohung von 2.500,- EUR? Schon krasser. Auch gegen Journalisten, was jedoch zumindest teilweise durch einen ausführlich begründeten Antrag auf Erteilung einer Sondergenehmigung glücklicherweise rückgängig gemacht werden konnte. Teilweise wurden die Bescheide aber schlicht nicht wirksam vollzogen.

Kein Wunder, wenn der Polizeipräsident in Berlin sich jeweils erst an Freitagabenden nach 20 Uhr um eine Zustellung an der jeweiligen Wohnungstüre bemüht. Die Tür bleibt zu!

Um nicht wiederholt von repressiv-aggressiven Polizeimaßnahmen an der Verteilung unserer Zeitung abgehalten zu werden, wurde diese am 21.04.20 bei der, dem Polizeipräsidenten in Berlin unterstellten Versammlungsbehörde angemeldet. Am Samstag, um 15.30 Uhr, für eine knappe halbe Stunde. Vor den Stufen der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz.

Die Verteilung der Zeitung DEMOKRATISCHER WIDERSTAND sollte durch acht ihrer Redakteure unter dem Motto »Demokratischer Widerstand – Antifa – Guten Tag!« durchgeführt werden. Im Rahmen der Versammlungsanmeldung wurde selbstverständlich auch ausgeführt, wie den verordneten Abstands- und Hygienereglementierungen entsprochen werden könne und werde.

Selbstverständlich haben wir auch das Gesundheitsamt Berlin-Mitte über unser Vorhaben in Kenntnis gesetzt, da dieses derzeit bei »Versammlungsfragen« zwingend zu beteiligen ist! Also doch ein »Gesundheitsregime«?!

Hat nicht jede Versammlungsbehörde einen erfahrenen Verwaltungs- und/ oder Polizeibeamten verdient, der seine Entscheidung frei von willfährigen politischen Zielen und allein auf Grundlage und zur Wahrung der Verfassung trifft?

Ja, so sollte man es meinen, wenn man sich § 33 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz) vor Augen führt. Dort heißt es so schön und theoretisch im ersten Absatz der Grundpflichten: »Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.«

Schön, nicht wahr?! Es wird noch toller. Denn in § 36 Beamtenstatusgesetz, in dem es um die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit geht, ist im ersten Absatz verheißungsvoll nachzulesen, dass Beamtinnen und Beamte »für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung« tragen.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte gemäß dem zweiten Absatz »unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind [erst dann!] von der eigenen Verantwortung befreit.«

Doch auch dies gilt nicht, »wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt.«

Besser ohne Polizei BERICHT aus Saalfeld, Thüringen Zurück zur Versammlungsbehörde. Denn die meldete sich zwei Tage später telefonisch, um mitzuteilen, dass in dem Vorhaben keine Versammlung zu erkennen sei. Die Verteilung von Zeitungen unterfalle dem Gemeingebrauch, zumal auch offensichtlich keine Meinungskundgabe geplant sei. Der Bitte um wenigstens kurze Bestätigung dieser Ansicht in Textform wurde nicht entsprochen.

Wir dachten uns daran zu erinnern, dass Meinungen zumeist in Wort, Schrift und Bild geäußert werden und die Übergabe, des in Schrift gebannten Wortes, einer Kundgabe gleichkommt.

Hin und her und her und hin. Noch am gleichen Tage (23.04.20) haben wir unsere entgegenstehende Rechtsauffassung erneut an die Versammlungsbehörde geschrieben und diese, unter Fristsetzung zum nächsten Morgen, um Berücksichtigung und Überprüfung gebeten.

Erst auf telefonische Nachfrage wurde mitgeteilt, dass es bei der Sichtweise bleibe. Die »Zeitungsverteilaktion« sei keine Meinungsäußerung und -kundgabe und sei daher auch keine Versammlung, sodass die Versammlungsbehörde nicht zuständig sei. Es werde dazu im Laufe des Tages auch noch einen Bescheid geben. Ja, logisch. Danke.

Dieser lag dann am späteren Nachmittag des 24.04.20 vor und liest sich wörtlich so: »Ich [die dem Polizeipräsident in Berlin unterstellte Versammlungsbehörde] stelle im Sinne des § 15 Absatz 1 Versammlungsgesetz nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage fest, dass es sich bei der oben genannten Veranstaltung nicht um eine Versammlung unter freiem Himmel nach Artikel 8 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit § 1 Absatz 1 und 14 Absatz 1 Versammlungsgesetz handelt. Der Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist nicht eröffnet, die Polizei ist nicht die zuständige Behörde. Eine Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung des § 4 Absatz 6 SARS-CoV-2-EindmaßnV ist damit nicht möglich.«

Aber das kann und darf doch alles nicht wahr sein. Also wurde über Nacht die 33-seitige Antragsschrift (plus über 150 Seiten Anlagen) mit heißer Nadel gestrickt und dem, glücklicherweise auch am Wochenende, eingerichteten Bereitschaftsdienst am Verwaltungsgericht Berlin übergeben.

Soweit die Behörden nicht bis 14:00 Uhr entscheidet, sollte das Verwaltungsgericht deren Nicht-Entscheidung ersetzen und unsere Zeitungsverteilungsversammlung per einstweiliger Anordnung genehmigen.

Hierbei ist wichtig zu erwähnen, dass Versammlungen nach Artikel 8 GG grundsätzlich keiner Genehmigung bedürfen. Anmelden ja, soweit möglich. Spontandemos gehen schließlich immer. Die aktuell unser Leben in viel zu großen Teilen bestimmende Verordnung des Berliner Verordnungsgebers hat diese grundrechtliche Freiheit ins Gegenteil verkehrt. Denn wo eben unter »normalen« Umständen eine grundsätzliche Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt besteht, regiert jetzt ein striktes Versammlungsverbot mit hohen Hürden bis ein Erlaubnisvorbehalt greift.

Um 13:30 Uhr rief das Verwaltungsgericht an um zu fragen, ob denn der Bescheid vom Polizeipräsident, also der Versammlungsbehörde schon da sei? Nein, bislang nicht. Ja gut, dann komme der wohl noch. Für das Gericht sei die Sache damit erledigt.

Um 13:56 Uhr kam die Nachricht und der Bescheid der Versammlungsbehörde. Nun war unsere Zeitungsverteilungsaktion also doch eine Versammlung und hierfür wurde auch das Gesundheitsamts einbezogen. Eine Ausnahmegenehmigung wurde gleichwohl nicht erteilt. Und zwar unter anderem, weil »die Verteilung von Zeitungen aus infektiologischer Sicht bedenklich« sei. Denn - Achtung, jetzt kommt der Oberknaller: »Hier soll ggf. virenkontaminiertes Material an eine möglichst hohe Anzahl Dritter Personen weitergegen werden.«

Wie bitte? Geht’s noch? Wie kann es denn sein, dass man sich als Verfassungsfreund auf den Platz stellt und als Verfassungsfeind vom selbigen geworfen wird? Das können wir auch: NICHTMITUNS.DE. Gewünscht?


Florian Daniel, ist Rechtsanwalt in Berlin und Mitglied des Demokratischen Widerstandes.




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 3 am 30. Apr. 2020




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