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Glosse

»Armageddon«

Von Jill Sandjaja

Die Apokalypse habe ich mir anders vorgestellt. Wo sind die Zombies, wo der harte Überlebenskampf, die Atombomben und die Tränen?


Ich kann noch nicht mal weinen, während die alte Welt untergeht, die ehrlich gesagt auch nicht so geil war. Wenigstens habe ich jetzt mal Zeit, laut zu sagen, was ich von diesem System und dessen unrentablen Verein halte, der uns regieren will: Ich halte davon nicht viel!

Bei der letzten Bundestagswahl sind fast ein Viertel Wahlberechtigte nicht wählen gegangen. Warum sind diese Leute nicht zur Wahl gegangen? Weil sie keinen gültigen Personalausweis hatten oder wie es so schön heißt »politikverdrossen« sind?

Nichtsdestotrotz sitzen dort die gewählten Abgeordneten im Bundestag und sollten laut Gesetz im Sinne der Bevölkerung den Laden schmeißen. Ich wiederhole: im Sinne der Bevölkerung und nicht im Sinne der Oligarchie, dessen gängige Mittel zur Unterdrückung der Bevölkerung, wie Diffamierung und Einschüchterung, echt langweilig geworden sind.

Nicht, dass ein Wahlsystem mit resultierendem Ergebnis überhaupt repräsentativ wäre oder ein ausschlaggebendes Argument für eine echte Demokratie darstellte. Zur Erinnerung: Demokratie sollte das Bemühen sein, die Machtgier Einzelner zu zügeln und ein friedliches Zusammenleben zu organisieren.

Nicht Wahlen, sondern öffentliche Debatten und Dialoge spiegeln das Grundprinzip einer echten Demokratie wieder. Um die zu gewährleisten, haben wir das Grundgesetze!

Aber warum bleiben jetzt so viele Menschen still? Wollen sie dem Staat gefallen, ein Gutbürger sein oder genießen sie einfach nur die Zeit vor der Röhre? Sehen sie sich wohl gerade die Tagesschau an und glauben tatsächlich die Propaganda, die uns jeden Tag aufgetischt wird?

Wie dem auch sei, ich hätte nicht gedacht, dass mein Untergang als freier Mensch auf einer internationalen Verschwörung basiert, die sich von unterschiedlichen wissenschaftlichen Expertenmeinungen nicht mehr aus der Ruhe bringen lässt.

In der Endzeit werden überall das Menschenrecht mit Füßen getreten. Bilder aus aller Welt, tief vergraben im Internet, zeigen Proteste zur Aufhebung der menschenfeindlichen Maßnahmen und Wiederherstellung der Rechte.

Der rechtmäßige Widerstand wird teilweise mit polizeilicher Gewalt, Freiheitsentzug und Komplettüberwachung bestraft. In Indien werden die Protestler mit Knüppeln geschlagen und öffentlich erniedrigt. In Afrika werfen die Behörden sogar Tränengas in die Menschenmengen, frei nach dem Motto »die Ungebildeten verstehen keine andere Sprache«.

Stupide weigern sich die etablierten Bewusstseinskontrolleure, überhaupt die Opposition unvoreingenommen anzuerkennen, geschweige denn sachlich und wahrheitsgemäß wiederzugeben. Eher schüren sie das Feuer, dass unsere Freiheit abfackeln soll, prophezeien eine zweite tödliche Viruswelle, ballern mit chaotischen Zahlen und Statistiken auf uns ein.

Der Kurs der Titanic wird weiterhin tapfer gen Eisberg gehalten. Willkürlich entscheiden irgendwelche Delegierten, wer in das Rettungsboot darf und wer nicht. Eine Erklärung für ihre Entscheidungen ist offenbar auch egal.

Anscheinend ist Religion von gestern und Wissenschaft schon längst ausgestorben. Die Ungewissheit der Bürger, ein berechneter Faktor, den man solange es möglich ist, durch Kontaktverbote am Leben hält, damit mit man ja nicht durch den Austausch mit anderen auf »komische Gedanken« kommt.

Falls man es doch wagt, sich dem zu widersetzen, klopft die Bedrohung (unter Druck gesetzte Polizeibeamte oder das Gesundheitsamt) schon an der Haustür, denn sie wissen welche Farbe du heute ausgeschieden und welche politische Ausrichtung deine Wurst hatte.

Das Schlimmste ist, dass hier nicht ein anderer Stern auf die Erde knallt, durch dessen Explosion wir alle gemeinsam sterben und einander vergeben könnten. Sondern ein bombastischer Virus treibt sein Unwesen und wir dürfen ihn noch gerade eben so überleben. Das Leben wird an einen Tropf gehängt. Leben ja, aber wie? Und warum werde ich nicht gefragt?

Ich will frei sein! Gut essen, gut trinken, gut arbeiten und gut schlafen. Ich möchte zu viert, mit meinen Freunden, in einem Auto sitzen dürfen, zum Hühnerhausimbiss fahren, und im Park ungestört picknicken können.

Ich bin einfach nur ein Mensch und ich brauche ab und zu einen Kuss, eine Umarmung ohne staatlichen Zeigefinger, ohne injizierte Todesangst. Irgendwann müssen wir alle sterben, aber bevor ich sterbe, will ich unkontrolliert leben und lieben.




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 3 am 30. Apr. 2020




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