Es wird seit Monaten in den Medien ausgiebig über die Demonstrationen gegen die Corona-Eindämmungsmaßnahmen berichtet. Die Maßnahmen bedeuten ein massives Eingreifen in unsere Grundrechte. Letzteres Detail wird in der Berichterstattung selten bis gar nicht erwähnt, die vermeintliche Konstellation der TeilnehmerInnen dagegen umso schillernder beschrieben: paranoide ImpfgegnerInnen, radikale Linke und Rechte, AntisemitInnen, Bill Gates-VerleumderInnen. Aber vor allem: jede Menge VerschwörungstheoretikerInnen.
Der SWR wartet inzwischen sogar
schon mit einem investigativ anmutenden Fernsehbeitrag über geläuterte
Aussteiger auf, die den Absprung aus
der »dunklen Welt« der Verschwörungstheorie geschafft haben. Genau
genommen ist der Beitrag eine unfreiwillige Satire über die eigene Berichterstattung. Um die »dunkle Welt«
der VerschwörungstheoretikerInnen
zu etablieren, werden zunächst friedliche DemonstrantInnen mit Widerstand-Transparenten in Stuttgart
gezeigt, dazu wird düstere Musik eingespielt und die tragende Sprecherstimme warnt: »Dem ersten Eindruck
nach ganz normale Menschen.« Dann
enthüllen die Reporter, dass der erste
Eindruck täuscht: Sie treffen einen Demonstranten, der von Diktatur spricht
und seine Informationen aus dem
Internet bezieht. Die Sprecherstimme
stellt klar: »Eine eigene Welt.« Und
will wissen, wie Menschen in diese
Welt »hinein rutschen«. Jetzt wird es
richtig investigativ: Die Reporter treffen zwei ehemalige Anhänger von Verschwörungstheorien, die beschämt darüber berichten, wie sie in diese dunkle
Szene abgedriftet sind, inzwischen aber
den Absprung geschafft haben und sich
nun geläutert wieder zurück ins soziale
Leben kämpfen. Die Aussteiger in dem
Bericht sind verpixelt, ihre Stimmen
verfremdet. Offenbar handelt es sich
um Whistleblower, deren Identität es
zu schützen gilt. Und offenbar glauben
die Reporter, dass sie uns nun einen
wertvollen Einblick in dieses gefährliche Milieu gewährt haben.
Worüber die Medien leider nicht berichten und schon gar nicht investigativ: Die Gefahren des Infektionsschutzgesetzes, das unser Grundgesetz
aushebelt. Die »dunkle Welt« unserer
PolitikerInnen, die dem »ersten Eindruck nach ganz normale Menschen«
sind, die uns vor einem Virus schützen
wollen, die jedoch Maßnahmen verordnen, die unsere Gesellschaft krank
machen. Wovor die Medien, die sich
immerhin einem Bildungsauftrag verschrieben haben, nicht warnen: dass
die Eingriffe in unsere Grundrechte einen irreparablen Schaden für unsere Demokratie darstellen. Und dass all
diejenigen, die aus dieser demokratiezerstörerischen Szene nicht aussteigen,
sich – zumindest moralisch — strafbar
machen.
Das gilt auch für die Medien selbst. Mit
dem Pressekodex hat sich der Deutsche Presserat einen Richtlinien-Katalog auferlegt, mit dem die ethischen
Standards im Journalismus definiert
und gewahrt werden sollen. Ziffer 1 des
Pressekodex trägt den Titel »Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde«. Darin heißt es: »Die Achtung
vor der Wahrheit, die Wahrung der
Menschenwürde und die wahrhaftige
Unterrichtung der Öffentlichkeit sind
oberste Gebote der Presse. Jede in der
Presse tätige Person wahrt auf dieser
Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.«
VERHEERENDE EINGRIFFE IN DIE GRUNDRECHTE
Das mit der Wahrheit und der Glaubwürdigkeit ist jedoch so eine Sache.
Denn das ist immer auch eine Frage
der Perspektive. Nehmen wir nur mal
die Demos, auf denen sich laut Berichterstattung all diese »VerschwörungstheoretikerInnen« tummeln. Gern
wird von den Reportern dazu eine gewisse Sozialwissenschaftlerin befragt,
die sich mittlerweile einen Namen als
Expertin für die Verschwörungstheorie-Szene gemacht zu haben scheint
(sie taucht jedenfalls in fast jedem Beitrag zum Thema auf) und den Unwissenden da draußen erklärt, dass all diese DemonstrantInnen nicht mit ihren
Ängsten umgehen können und daher
in die Verschwörungstheorie flüchten.
Dabei kann man diese vermeintlich
sozialwissenschaftliche Analyse auch
genauso gut umdrehen und zu dem –
mir persönlich viel einleuchtenderen
– Schluss kommen, dass all diejenigen,
die aus Angst vor dem Virus nach restriktiven Maßnahmen schreien und sich
an einem Mundnasenschutz festklammern, offenbar nicht anders mit ihrer
diffusen Angst umzugehen wissen, als
sich gängeln zu lassen.
Wie gesagt: alles eine Frage der Perspektive. Genauso wie die in den Medien
weit verbreitete Behauptung, die Rechten hätten die Demos gekapert. Ein
gewisser rbb-Kollege beobachtet laut
eigener Aussage die Demos auf dem
Rosa-Luxemburg-Platz von Anfang an,
scheint dabei jedoch eine rechts-getönte Brille zu tragen. Er warnt vehement vor diesen »rechten Demos«.
Sein Appell an die TeilnehmerInnen:
Sie sollen sich gut überlegen, mit wem
sie da zusammen auf die Straße gehen.
Ich war ebenfalls von Anfang an auf
dem Rosa-Luxemburg-Platz und habe
dort durchaus auch rechte TeilnehmerInnen wahrgenommen, im Gegensatz
zu meinem Kollegen jedoch weit mehr
DemokratInnen angetroffen, die das
Grundgesetz verteidigen. Allein am 25.
April wurden auf dem Rosa-Luxemburg-Platz offiziell rund 1.000 TeilnehmerInnen gezählt, darunter etwa 15
bis 20 TeilnehmerInnen, die als rechts
außen eingeschätzt werden. Das sind
15 bis 20 zu viel, um sie zu ignorieren.
Aber zu wenig, um die Hygienedemos
als »rechte Demos« zu labeln.
Mein persönliches Fazit lautet daher: Wenn die Berichterstattung nicht
mehr differenziert und statt dessen
ausschließlich die rechten TeilnehmerInnen in den Fokus rückt, haben die
Rechten nicht die Demos, sondern die
Medien gekapert. Stichwort: »wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit«, Ziffer 1 des Pressekodex.
Derselbe rbb-Kollege, für den die demokratischen DemonstrantInnen, die
da nebenbei bemerkt auch für seine
Grundrechte auf die Straße gehen, offenbar nicht erwähnenswert sind, findet auch die infame Verhaftung des demokratischen Widerständlers Anselm
Lenz nicht erwähnenswert. Den Angriff auf ein ZDF-Kamerateam abseits
einer Hygienedemo hingegen schon.
Der Angriff ist durchaus erschreckend,
hat aber mit den Hygienedemos im Allgemeinen nicht zu tun und mit Lenz im
Besonderen schon gar nicht. Dennoch
fordert der Kollege aus dem rbb-Fernsehstudio heraus ausgerechnet von
Lenz, der friedlich unser Grundgesetz
verteidigt und dessen eigene Drangsalierung dabei keinerlei Erwähnung
findet, er müsse die Verantwortung für
den Angriff übernehmen. Erschließt
sich mir nicht. Und ich frage mich: Wie
wird hier »das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien gewahrt«?
DIE RECHTEN HABEN NICHT DIE DEMOS, SONDERN DIE MEDIEN GEKAPERT
Rückblick: Am 11. März ruft die Weltgesundheitsorganisation WHO die
Pandemie aus und dann geht auch
hierzulande — nachdem ganz Italien
bereits zur Sperrzone erklärt wurde,
weil sich in Bergamo die Särge stapelten — alles rasant schnell. Innerhalb
von nur 12 Tagen werden in Deutschland Großveranstaltungen untersagt,
der Reiseverkehr eingeschränkt, alle
möglichen Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens geschlossen und
schließlich der komplette Lockdown
in Form von Kontaktsperre und Mindestabstand angeordnet. Es gilt ein
bundesweites Versammlungsverbot.
All dies wird von der Regierung damit begründet, dass eine Überlastung
der Krankenhäuser vermieden werden
müsse, es gilt das bundesweite Motto:
»Flatten the curve«, übersetzt: Die
Kurve abflachen.
Die PolitikerInnen verweisen auf die »schrecklichen Bilder aus Italien«, die
man hierzulande nicht erleben möchte.
Dass Italien nicht Deutschland ist und
unser Gesundheitssystem prozentual
über weit mehr Intensivbetten verfügt,
bei weit weniger Erkrankten, bleibt unerwähnt. Die Regierungsbehörde RKI
meldet zu diesem Zeitpunkt 22.672
Infizierte und 86 Tote in Deutschland.
Von 12.975 registrierten Intensivbetten sind (ebenfalls laut RKI) 6.864
Betten (53 Prozent) belegt, 939 davon
mit Covid-19-Patienten, 642 von ihnen werden beatmet. Und noch eine
gute Nachricht: 6.204 Betten werden
binnen 24 Stunden neu belegbar. Dennoch wird in rasanter Geschwindigkeit
unser Grundgesetz außer Kraft gesetzt
und die BürgerInnen werden vollkommen entmündigt. Politische Opposition: nicht vorhanden.
Die Stunde des Journalismus hat geschlagen. Die vierte Säule der Demokratie kommt zum Tragen und wird
diesem Wahnsinn Einhalt gebieten.
Dachte ich. Doch die Presse: hinterfragt nicht. Stattdessen auf allen
TV-Kanälen: heitere Propagandabilder
von »solidarischen« Mitmenschen, die
in ihren Wohnzimmern tanzen, Purzelbäume schlagen oder musizieren und
den Lockdown fröhlich von Bildschirm
zu Bildschirm miteinander teilen.
In den Politik-Talkshows wird viel darüber spekuliert, wie die hohen Todeszahlen bei unseren italienischen Nachbarn zustande kommen, anstatt die
Hintergründe zu recherchieren und die
Maßnahmen zu hinterfragen. Ich erinnere mich an eine besonders spekulative Aussage, laut der die vielen chinesischen GastarbeiterInnen in Italien für
die hohen Infektions- und Todeszahlen
verantwortlich sein könnten. Wie gesagt: reine Spekulation. Zu einer Zeit,
in der unsere asiatischen MitbürgerInnen ohnehin schon unter dem Stigma
zu leiden haben, als wandelnde biologische Waffen wahrgenommen zu
werden. Der allgemeine Grundsatz,
dass Spekulation nicht gerade zur
Wahrheitsfindung beiträgt, scheint auf
einmal nicht mehr zu gelten. Und das
oberste Gebot der »Achtung vor der
Wahrheit« scheint vergessen.
Ziffer 14 des Pressekodex definiert die
ethische Leitlinie für die »Medizin-Berichterstattung«. In Zeiten einer Pandemie nicht gerade unerheblich. Sie
lautet: »Bei Berichten über medizinische Themen ist eine unangemessen
sensationelle Darstellung zu vermeiden, die unbegründete Befürchtungen
oder Hoffnungen beim Leser erwecken könnte. Forschungsergebnisse,
die sich in einem frühen Stadium befinden, sollten nicht als abgeschlossen
oder nahezu abgeschlossen dargestellt
werden.«
Doch anstatt »unbegründete Befürchtungen« in Bezug auf die Corona-Pandemie zu »vermeiden« und die völlig
offenen Forschungsergebnisse in Bezug auf das SARS-CoV-2-Virus auch
als solche zu diskutieren, werden ausgewiesene Experten wie Wolfgang Wodarg und Sucharit Bhakdi von vornherein aus dem öffentlichen Diskurs
verbannt und zu Verschwörungstheoretikern diffamiert, während Virologe
Christian Drosten täglich spekulative
»Befürchtungen« schüren darf und der
NDR-Podcast, der seine Spekulationen
als vermeintlich wissenschaftliche Aufklärung in die Lande trägt, auch noch
den Grimme Online Award erhält. Damit wurde die Öffentlichkeit nicht nur
wichtiger Experten-Stimmen beraubt,
sondern ich wage zu behaupten, dass
hier auch gegen den Pressekodex verstoßen wurde.
AUF ALLEN KANÄLEN: PROPAGANDABILDER
Anfang April – in der Corona-Zeitrechnung befinden wir uns gerade in
der bundesweiten Kontaktsperre, beim
Einläuten der Maskenpflicht in Jena,
aber noch vor der bundesweiten Maskenpflicht — ein kurzer 7-minütiger
Lichtblick in der Wüste der Berichterstattung, die von Anfang an zum
Sprachrohr der Regierung mutiert
ist: Ein 3sat-Beitrag über das, was da
eigentlich gerade vor sich geht. Auch
Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp (von der vorliegenden Wochenzeitung DW) kommen darin zu Wort.
Sie weisen darauf hin, dass sich die
Bundesregierung über das Grundgesetz hinweggesetzt hat und unser Versammlungsrecht außer Kraft gesetzt
worden ist. Sie protestieren öffentlich
gegen das Demonstrationsverbot, indem sie auf der Straße das Grundgesetz
verteilen. Durch diese Aktion senden
sie einen Weckruf an unser aller demokratisches Gewissen. Zuvor dienten
Demonstrationen dazu, für oder gegen
etwas zu demonstrieren. Jetzt ging es
darum, dafür zu demonstrieren, dass
man überhaupt demonstrieren darf.
Ein entscheidender Unterschied, der
bereits das unverhältnismäßige Ausmaß des Infektionsschutzgesetzes
deutlich macht.
Ich hätte erwartet, dass auch in der darauffolgenden Berichterstattung weiter vor den verheerenden Eingriffen in
unsere Grundrechte gewarnt wird. Ich
hoffte, dass die Medien-KollegInnen
erkennen, dass sie als vierte Säule dabei sind zu bröckeln, und dass sie sich
nun wieder aufrichten, um die Demokratie zu stützen, nachdem Lenz und
Sodenkamp vorgemacht haben, wie
das geht. Darauf warte ich bis heute.
Statt dessen wird weiterhin kostbares
Medien-Pulver verschossen, indem
über die »dunkle Welt der VerschwörungstheoretikerInnen« berichtet
wird, statt dem Untergang unserer Demokratie entgegenzuwirken. Tja, das
mit der »Wahrheit« ist eben so eine
Sache.
Ich hätte erwartet, dass auch in der darauffolgenden Berichterstattung weiter vor den verheerenden Eingriffen in
unsere Grundrechte gewarnt wird. Ich
hoffte, dass die Medien-KollegInnen
erkennen, dass sie als vierte Säule dabei sind zu bröckeln, und dass sie sich
nun wieder aufrichten, um die Demokratie zu stützen, nachdem Lenz und
Sodenkamp vorgemacht haben, wie
das geht. Darauf warte ich bis heute.
Statt dessen wird weiterhin kostbares
Medien-Pulver verschossen, indem
über die »dunkle Welt der VerschwörungstheoretikerInnen« berichtet
wird, statt dem Untergang unserer Demokratie entgegenzuwirken. Tja, das
mit der »Wahrheit« ist eben so eine
Sache.