Seit einem halben Jahr dominiert das Thema Covid-19 die Medien und unser aller Leben. Covid-19 wird im Mainstream als eine Wiederkehr der Pest dargestellt, als existentielle Bedrohung der Gesellschaft und des Staates, zu deren Bekämpfung der Notstand gerechtfertigt sei.
Die Faktoren, die aus einer Krankheit,
deren Gefährlichkeit von verschiedenen Experten sehr verschieden bewertet wird, eine Seuche machen, sind
aber nicht so unumstößlich sicher,
wie vom Staat behauptet und von den
Medien kolportiert wird. Das ist gewissermaßen selbsterklärend, denn
wie die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung angeordnet werden, fallen
ja je nach Land sehr unterschiedlich
aus. Wie das Beispiel Schweden zeigt,
das entgegen der Berichterstattung
des Mainstream immer noch nicht in
einer Todesspirale untergegangen ist.
Die entscheidende Frage ist weiterhin, ob Covid-19 ein so katastrophales Ereignis ist, dass ein dauerhafter
Notstand gerechtfertigt ist, oder ob
im Windschatten einer Grippewelle
ein fundamentaler Umbau der Gesellschaftssysteme durchgeführt wird,
eine allgemeine Prekarisierung, eine
kalte Übernahme der mittelständischen Wirtschaft durch die finanzkapitalistische globale Oberschicht,
die Einführung eines Überwachungsstaates mit gesundheitspolitischen
Zwangsmaßnahmen. Ob der Westen also eine Karikatur des Überwachungs-China-Schreckgespenstes
wird, nur ohne Wohlstand für alle.
Dazu kann man verschiedener Meinung sein. Aber man darf es nicht, bei Strafe der öffentlichen Erniedrigung
und Existenzvernichtung durch den
Mainstream.
Die politische Antwort auf Covid-19
wird uns medial als alternativlos präsentiert. Dass verschiedene Bürger zu
politischen Fragen unterschiedliche
Ansichten haben, ist in der Demokratie eine Binsenweisheit. Zu Corona aber und den Maßnahmen gibt es
angeblich keine Meinungen, sondern
nur eine einzige mögliche Antwort,
die sich bezaubernderweise mit den
Ansichten der Regierung deckt.
IDEOLOGIE DES TUGENDTERRORS
Damit entsteht eine neue Klasse der
staatsmedialen Corona-Mandarine,
die über die Einhaltung der einzig
wahren Lehre wachen. Sie genießen
ihre Machtausübung. Jede Abweichung vom herrschenden Dogma wird
mit einer ähnlich rechthaberischen
Erbarmungslosigkeit attackiert wie
Ketzerei im Mittelalter. Aus einer ähnlichen Ursache; die Ideologie des Tugendterrors geht von einer erkennbaren gesellschaftlichen Wahrheit aus.
Wer eine andere Wahrheit propagiert,
hat keine andere Ansicht, sondern
eine falsche Ansicht. Und die muss berichtigt werden.
Das geschieht auch, indem die Träger der falschen Thesen bekämpft
werden, argumentativ und bei weiterer Unbotmäßigkeit physisch. Es ist
die sich entfaltende Erscheinungsform eines ideologischen Totalitarismus, dem so unglaublich viel erlaubt
ist, weil er sich auf dem felsenfesten
Boden einer naturwissenschaflichen
Wahrheit wähnt. So wie Anfang des
letzten Jahrhunderts die Eugeniker in aller Welt die Zwangssterilisierung,
die Zuchtwahl und den Sozialdarwinismus als die unverhandelbare Realisierung der Moderne durchgeführt
sehen wollten.
Die modernen Wahrheitswächter
übersehen — nach den Erfahrungen
des NS-Staates muss man sagen, sie
wollen übersehen —, dass jedes gesellschaftliche Ziel eine Setzung ist, die
auf Prämissen beruht. Die Prämisse
des pluralisitischen Gesellschaftsmodells ist, dass niemand genau weiß,
was die Wahrheit ist und es deshalb
am besten ist, wenn viele nach ihr
suchen. Die Prämisse einer freiheitlichen Gesellschaft ist, dass wir uns
über die Ziele verständigen müssen,
weil sie nicht vorgegeben sind, weder
ideologisch noch »naturwissenschaftlich«. Wir werden, was wir sein wollen.
Die realexistierende mediale Coronadiskussion ist keine Erscheinungsform eines pluralistischen Weltbildes.
Die Medien erfüllen nicht ihre Aufgabe, das Terrain zu sondieren, es zu
kartographieren und jeder Seite die
Fragen zu stellen, sie sie am wenigsten hören möchte. Sie erfüllen nicht
ihre Aufgabe, die Regierung kritisch
zu begleiten. Stattdessen werden die
wichtigsten Ketzer an einen medialen
Pranger gestellt, werden Verdikte und
Verbannungen ausgesprochen. So
werden aus Wissenschaftlern abweichender Ansicht Idioten, aus Experten Verschwörungstheoretiker. Wenn
dieser neuartige »Verfolgungswahn«
des Mainstreams dazu führt, dass es
für einige Kritiker lebensbedrohlich
wird, dann schweigt der Mainstream
sogar über die Angriffe.
Die Folgen der Mainstream-Berichterstattung schaffen es nicht durch den
antifaschistischen Schutzwall der Medieneinheitsfront. Diesseits der Mauer hat die Partei immer recht. Kritiker
gibt es nur jenseits der Mauer, bei den
Alternativmedien. Die allerdings, und
auch das ist zu kritisieren, ebenfalls
oftmals eine hermetische, zweifelsfreie Sicht präsentieren.
FANATISMUS UND VERNICHTUNGSWUNSCH IN STAATSNAHEN MEDIEN
Diese de facto überwältigende Gleichschaltung der Mainstream-Berichterstattung, eine Variante des aus der
Psychologie bekannten Group Thinks,
ist staatsnah, antipluralistisch und
unausgewogen, mit anderen Worten,
für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfassungswidrig. Für die privaten Printmedien ist sie ein journalistisches Armutszeugnis.
Und insgesamt offenbart sie ein
Strukturproblem unseres Mediensystems. Wir brauchen ein neues, funktionsfähiges Mediensystem. Krisen wie
Covid-19 demonstrieren, wie wichtig
es ist, um vernünftige Entscheidungen möglich zu machen. Wie würde
unsere Schönwetter-Demokratie, die
das Grundgesetz derzeit als gesundheitspolizeiliche Verfügungsmasse
betrachtet, eigentlich reagieren, wenn
sie eine echte Seuche zu bekämpfen
hätte?