DIE DUNKLE TRIADE DER GEWALTENTEILUNG

Seit zwei Jahren haben sich alle drei Gewalten zu einem Machtmonopol verschmolzen und den Rechtsstaat ad absurdum geführt. | Von Anke Behrend

Von Anke Behrend

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ie Gewaltenteilung wurde als Grundpfeiler der bundesdeutschen Demokratie erzählt, als tragendes Prinzip des Rechtsstaates. Die gesetzgebende Legislative, die ausführende Exekutive und die Rechtsprechung – Judikative – als Korrektiv sollten die im Grundgesetz garantierten Werte Freiheit und Gleichheit durch Gewaltenteilung garantieren.


»In Rechtsstaaten wird die Judikative durch unabhängige Richter ausgeübt«, schreibt Wikipedia. Bereits hier gebricht es in Deutschland. Richter sind Beamte des Staates, Verfassungsrichter nicht selten Partei- und Kostgänger der Politik. Unabhängige, evidenzbasierte Entscheidungen erwartet man mittlerweile vergebens.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wirft inzwischen auch bisher gültige Rechtsauslegungen über Bord und macht sich zum Handlanger der Legislative. Mit dem Beschluss zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht hat das BVerfG den Rechtsstaat faktisch suspendiert und die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat umgedeutet zu einer nahezu beliebig dehnbaren Schutzpflicht des Staates gegenüber den Bürgern, die diese nicht dankend ablehnen können.


IMPFAGENDA WIRD IGNORANT
WEITERGEFÜHRT

Zum Zeitpunkt der Gesetzgebung hätte man noch wohlwollend annehmen können, dass der mangelnde (Fremd-) Schutz der Impfung nicht hinreichend bekannt gewesen sein mochte und in bester Absicht von dieser falschen Prämisse ausgegangen worden war. Doch bereits dort stellte eine Impfpflicht nicht das mildere Mittel dar und hätte als unangemessen betrachtet werden müssen. Wenn überhaupt, wären Maßnahmen ohne körperlichen Eingriff tolerabel und akzeptabel, die im Gesundheits- und Pflegebereich ohne- hin üblich sind. Das BVerfG begründet seinen Beschluss damit, dass Veränderungen des Wissensstandes, die den gesetzgeberischen Einschätzungsspielraum nachträglich hätten beschränken können, nicht vorlägen. Versäumnisse bei der Generierung des Wissensstandes habe es nicht gegeben (Randnummer 170 der Begründung). Zuständig für die Generierung dieses Wissensstandes ist die dem Bundesgesundheitsminister unterstellte Behörde RKI. Doch auch im dritten Jahr der »Pandemie« ist die Datenerhebung desolat.

Lauterbach selbst ersuchte bezüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Eva- luierung der Pandemie-Maßnahmen auf Grund fehlender oder mangelhafter Daten um eine Verschiebung der Evaluierung (Berlin direkt, ZDF, 22. Mai 2022), die laut Infektionsschutzgesetz bis Ende Juni vorzulegen ist. Ohne Evaluierung steht zu befürchten, dass erneut Maßnahmen für den Herbst beschlossen werden, deren Wirksamkeit unbekannt ist.

Seit dem Wochenbericht vom 24. April 2022 veröffentlicht das RKI auch keine Daten mehr, wer als symptomatisch infiziert gilt. Zuletzt überstieg die Gruppe der »mit Auffrischimpfung« geboosterten die Ungeimpften und »grundimmunisierten« mit 105.531 Fällen um mehr als das jeweils Dreifache. Diese Daten seien nicht mehr geeignet, die Wirksamkeit der Impfung zu beurteilen, so das RKI. Die Datenbank zu Impfnebenwirkungen beim Paul-Ehrlich-Institut ist seit kurzem nicht mehr online verfügbar.

»Der sehr geringen Wahrscheinlichkeit von gravierenden Folgen einer Impfung steht im Ergebnis die deutlich höhere Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung von Leib und Leben vulnerabler Men- schen gegenüber« (Rn. 230). Beide Wahr- scheinlichkeiten sind nicht evaluiert.


DER STAAT MÖCHTE ÜBER
UNSERE KÖRPER VERFÜGEN



Der Staat darf, so die bisherige Lesart des Luftsicherheitsgesetzes von 2005, Menschen nicht zum Schutz von anderen Menschen opfern, denn jeder einzelne Mensch hat eine Würde und darf nicht zum Objekt staatlichen Handelns gemacht werden. Von dieser Rechtsauffassung ist das BVerfG nun fundamental abgewichen. Menschen in Gesund- heits- und Pflegeeinrichtungen sind vor die Wahl gestellt zwischen körperlicher Unversehrtheit und Berufsfreiheit: »dass eine Impfung im ganz extremen Ausnahmefall auch tödlich sein kann« (Rn. 208) nimmt man als zumutbar und mit der Menschenwürde vereinbar in Kauf.

Vom Staat behauptete Gefahren müssen zum Zeitpunkt der Gesetzgebung nicht evident sein oder fortlaufend korrigiert werden. Man mag sich kaum vorstellen, was beispielsweise zur Abwehr einer Klimakatastrophe unternommen wer- den könnte und weder validiert noch revidiert werden müsste. Aber auch vor banalen Lebensrisiken könnte der Staat die Bürger alsbald »schützen« wollen. Was jetzt noch wie schwarze Pädagogik klingt, könnte bereits in den Schubladen schlummern. Kontrolle und Reglementierung unseres gesamten Lebens: Ernährung, Freizeit, Mobilität, Berufs- ausübung, Besitz, Meinungsäußerung und natürlich Gesundheit werden offen als Zukunftsvision und »Waffe« gegen den Klimawandel diskutiert. Mit dem Beschluss zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht wurde fast auf das Datum genau zu seinem 73-jährigen Bestehen unser Grundgesetz in den Fundamenten erschüttert, die Würde des Menschen zur Verfügungsmasse erklärt und das Bundesverfassungsgericht durch sich selbst zur Posse degradiert.


Anke Behrend ist TV-Profi, Autorin und Redakteurin dieser Wochenzeitung.





Dieser Text erschien in Ausgabe N° 92




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