Tränen flossen als Maurice Kolloff (37) und sein Sohn Ceejay (13) am Mittwochabend nach über 600 Kilometern zu Fuß den Reichstag in Berlin erreichten.
Den Protestmarsch führte der Vater
mit dem Sohne an, im Hintergrund
wirkten jedoch starke Frauen wie Julia
Wagner (43), eine technische Zeichnerin aus Willstätt. Wagner wählt bescheidene Worte, wenn sie über ihre
Rolle bei dem Protestmarsch spricht:
»Ich fahre nur das Versorgungsauto.«
Tatsächlich haben auf dem langen
Marsch nach Berlin viele Frauen den
beiden mutigen Recken den Rücken
gestärkt, Unterstützung geleistet,
Pressevertreter mobilisiert und so für
Öffentlichkeit gesorgt. Losmarschiert
waren die Kolloffs in Schömberg,
der ernannten »Glücksgemeinde«
im Schwarzwald. Über Gemmingen,
Ahorn, Kürnach, Stadtlauringen, Ilmenau, Umpferstedt, Merseburg, Uthausen und Beelitz führte die Freiheitskämpfer ihr langer Lauf zum
Reichstag in der Bundeshauptstadt.
Dort angekommen, wurden die beiden Männer mehrheitlich von Frauen
begrüßt und umarmt.
GESAMMELTE BRIEFE AN DIE KANZLERIN
In allen Orten, die sie durchliefen,
sammelten sie Briefumschläge ein,
adressiert an die Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die stand am Mittwochabend jedoch nicht zur Verfügung, um
ihre Post persönlich in Empfang zu
nehmen.
Maurice und Ceejay sagten über das
Ziel ihres Protestmarschs: »Wir fordern die sofortige Beendigung aller
Maßnahmen und die Entlassung aller
Politiker, die maßgeblich an der Unterdrückung der Grundrechte beigetragen haben. Auch fordern wir Strafen für diese Menschen.«
Um dieses Ziel zu erreichen, nahmen
Vater und Sohn neben körperlicher
Erschöpfung, Blasen an den Füßen
und schlechtem Wetter auch allerlei Unverständnis einiger Lehrer und
Mitschüler von Ceejay auf sich. »Hart
im Nehmen mein Sohn. Bin so stolz
auf Ihn«, sagte Maurice am Ende eines
langen und entbehrungsreichen Tages
über Ceejay. Für diese ungewöhnliche
Art des Protests bestand kein Medieninteresse.
Hinter den Kulissen der großen Bühnen sind es überwiegend Frauen, die
für die Revolution kämpfen und den
Laden am Laufen halten. Von der
Französischen über die Russische, die
Kubanische und die Arabischen Revolutionen waren es stets die Frauen, die
gegen die meist männlichen Unterdrücker nachhaltig aufbegehrten.
Und so endete auch der Marsch für die
Freiheit nach kurzer Ansage der Polizistinnen in der Bannmeile vor dem
Reichstag mit einer Umarmung nicht
nur von Vater und Sohn, sondern (jeweils) auch mit den beiden Polizistinnen. Von Herz zu Herz. Von Polizistin
zu Aktivist.
Petra Panter ist Journalistin, die als
Oppositionelle hier unter schützendem Pseudonym veröffentlicht.