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Biowaffenlabore des Pentagons in der Ukraine?

Weltweit wird über die Existenz von Bio-Laboren in der Ukraine diskutiert. Ein Überblick über den Kenntnisstand und Hinweise.

Von Ilia Ryvkin

Jetzt ist es offiziell: Die US-Staatssekretärin für politische Angelegenheiten im Außenministerium, Victoria Nuland, räumte in einer Befragung am 8. März 2022 im US-Senat ein, dass die USA »biologische Forschungseinrichtungen« in der Ukraine betreibe, die einen Grund zur Besorgnis darstellen. Was hat es damit auf sich?

Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte interne Unterlagen über vom Pentagon in der Ukraine betriebene Biolabore. Diese Dokumente beinhalten, dass kurz vor dem russischen Einmarsch Spuren, die auf Experimente mit tödlichen Krankheitserregern hinweisen, verwischt wurden. Es soll sich dabei unter anderem um Experimente mit Kulturen von Pest, Milzbrand, Tularämie und Cholera handeln. Die westlichen Medien, samt der globalen »Faktencheckergemeinde«, wiesen diese Informationen, sofort und vollumfänglich, als »Propaganda« zurück.

Die Zeitung Kyiv Post veröffentlichte eine offizielle Erklärung des ukrainischen Geheimdienstes (SBU) zu den Vorwürfen. Es soll sich bei den Biolaboren um Einrichtungen handeln, die aufgrund eines amerikanisch-ukrainischen Abkommens aus dem Jahr 2005 zur »Verhinderung der Verbreitung von Technologien, Krankheitserregern und Kenntnissen, die für die Entwicklung biologischer Waffen geeignet sind« dienen.

Der SBU behauptet, »dass diese Labore aus dem ukrainischen Staatshaushalt finanziert werden und dem Gesundheitsministerium und dem staatlichen Dienst für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz unterstellt sind«.

WO GIBT'S DENN SOWAS?
GEHEIMDIENSTE DIE LÜGEN?

Diese Angaben stehen im krassen Widerspruch zu den Informationen auf der Internetpräsenz der amerikanischen Botschaft in Kiew und den Aussagen von Victoria Nuland. Diese Belege wurden mittlerweile von der Internetseite gelöscht, sind jedoch weiterhin auf der Seite web.archive.org abrufbar. Sie bezeugen, dass die amerikanische Regierung mehrere Millionen Dollar für Biolabore auf ukrainischem Boden ausgeschüttet hat. Da von amerikanischer Seite weder das Gesundheitsministerium noch die Verbraucherschutzbehörde diese Einrichtungen finanzieren, können die Labore als militärische Objekte angesehen werden. Speziell auch deshalb, da die Forschungen unter dem Schirm der sogenannten »Agentur für die Reduzierung der Verteidigungsbedrohungen«, DTRA, laufen. Informationen zum laufenden Programm, CBEP genannt, sind ebenso von der Internetpräsenz dieser Agentur entfernt worden, doch auf web.archive.org weiterhin zu finden. Das Budget für dieses Programm beträgt immerhin 2,1 Milliarden Dollar, aus dem Hunderte Labore in 25 Ländern der Welt finanziert werden.

Dazu kommt: Sowohl das militärische, als auch das zivile Personal dieser Einrichtungen genießt diplomatische Immunität, die das Recht auf Beförderung von Biomaterialien per Diplomatenpost beinhaltet. Die dort stattfindende Forschung unterliegt somit keinerlei Kontrolle seitens der Behörden des jeweiligen Staates, auf dessen Gebiet sie agiert.

WELTWEIT SEUCHEN
AUS US-LABOREN?

Das Pentagon hat in den letzten Jahrzehnten um Russland, wie auch um China und Iran, ein Netzwerk militärisch relevanter Biolabore aufgebaut, unter anderem in Georgien, Armenien, Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und Moldawien.

Im Jahre 2011 eröffnete die DTRA ein geheimes Biolabor in der Nähe des Tifliser Flughafens in Georgien. Laut Angaben des amerikanischen Journalisten und Beraters des ehemaligen georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, Jeffrey Silverman, werden in einem Labor in der Nähe von Tiflis, im Lugar-Labor, gesundheitsgefährdende Substanzen hergestellt und möglicherweise sogar an der lokalen Bevölkerung getestet. Laut Silverman gab es 2013 einen Infektionsfall des Personals, dessen Behandlung geheim verlief, damit keine Informationen darüber an die Medien gelangen konnten.

Etwa zur gleichen Zeit wurden in Abchasien südamerikanische Mücken, die das tödliche Zika-Virus übertragen, gesichtet, was zuvor noch nie auf der Nordhalbkugel vorkam. 2014 wurde in der Einrichtung eine spezielle Insektenzuchtanlage errichtet, in der Sandfliegen gezüchtet wurden. Im Jahr darauf traten Sandmücken in Tiflis und im benachbarten Dagestan auf. Nachdem die DTRA mit der Untersuchung der Verbreitung gefährlicher Infektionen im Allgemeinen und des Krim-Kongo-Fiebers im Besonderen begonnen hatte, tauchten solche Mücken plötzlich in Westgeorgien, im russischen Krasnodar und in der Nordtürkei auf.

Im Nachbarland Georgiens, in Aserbaidschan, sind die Vereinigten Staaten in den Besitz einer umfangreichen Sammlung von Krankheitserregern gekommen. Das Land Aserbaidschan erbte von der Sowjetunion ein Netzwerk von Krankheitsbekämpfungseinrichtungen, bestehend aus sechs Forschungsinstituten, 29 regionalen und 53 biologischen Feldstationen und übergab den Vereinigten Staaten 124 Proben von 62 einzigartigen Milzbrand-Erregern, ebenso Erregern der Cholera und anderen gefährlichen Krankheiten. Diese Proben wurden zum US Armed Forces Institute of Pathology (Washington) verbracht.

Das erste amerikanische Referenzlabor in Usbekistan entstand 2007 in Taschkent. Derzeit verfügt die DTRA über mehr als ein Dutzend solcher Labore in Usbekistan. Im Jahr 2019 wurden in Usbekistan ungeklärte Ausbrüche der Masern (circa 500 Personen in der Region Samarkand) und der Windpocken registriert. Im August 2011 brach in der Region Taschkent eine unbekannte Krankheit aus, die der Cholera sehr ähnlich war. Vergeblich beschwerte sich die älteste Tochter des ehemaligen usbekischen Präsidenten, Gulnara Karimova, über »medizinische Bürokraten«, weil sie »aus irgendeinem Grund« es nicht schafften, die Ursache der Erkrankung herauszufinden. Im Frühjahr 2017 begann in Taschkent eine Windpockenepidemie, die Ärzte stellten »aus irgendeinem Grund« eine andere Diagnose – nämlich »allergische Dermatitis«.

RASSENSPEZIFISCHE BIOWAFFEN?

Zurück in die Ukraine: Es agieren im Land 15 militärisch relevante Biolabore. Die zwei wichtigsten davon: Das Forschungszentrum für Seuchenbekämpfung I.I. Metschnikow in Odessa und die Einrichtung für krankheitserregende Mikroorganismen im Charkow-Gebiet, in unmittelbarer Nähe der russischen Grenze. Im Laufe der Vorbereitung dieses Materials bin ich auf einen Zeitungsartikel gestoßen, aus dem unter anderem zu entnehmen ist, dass in dem Labor in Odessa auch PCR-Tests erstellt und ausgewertet wurden.

Es ist bekannt, dass das Pentagon biologische Proben von Menschen anhand ihrer »Rasse« und ethnischer Zugehörigkeit systematisch sammelt und auswertet. Im Jahre 2017 erschien auf einer Website der US-Regierung eine seltsame Ausschreibung: Das Verteidigungsministerium äußerste den Wunsch, lebende Gewebeproben von Russen kaukasischer Herkunft zu erwerben. Bei der Beschaffung ging es um RNA-Moleküle, die genetische Informationen in Proteine übertragen. Nach dem Erwerb gingen diese Proben an die US Air Force Base in Lekland, Texas.

Es ist schwer vorstellbar, dass dieses Interesse rein wissenschaftlicher Natur sein soll, da die USA bezüglich Forschungen auf dem Gebiet vergleichender Anthropologie historisch betrachtet, um es vorsichtig auszudrücken, nicht unbedingt eine vorbildhafte Stellung haben. Es drängt sich zumindest der Verdacht auf, dass es dabei möglicherweise um die Entwicklung einer rassenspezifischen Biowaffe gehen könnte. Daher stellt sich die Frage:

Ist es denkbar, dass die weltumfassende Sammlung von Bioproben mittels PCR-Tests zur Herstellung von rassenspezifischen Biowaffen missbraucht werden könnte?

Die bulgarische Journalistin Dilyana Gaytandzhiewa hat durch Dokumente belegt, dass das Pentagon biologische Experimente mit potenziell tödlichem Ausgang an 4.400 Soldaten in der Ukraine und an 1.000 Soldaten in Georgien durchgeführt hat. Aus diesen Dokumenten geht zumindest hervor, dass potentielle Todesfälle von Freiwilligen innerhalb von 24 Stunden in der Ukraine und innerhalb von 48 Stunden in Georgien gemeldet werden sollten. In Charkow, wo sich eines der Referenzlabore des Pentagons befindet, starben im Januar 2016 20 ukrainische Soldaten an der Schweinegrippe, weitere 200 wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Bis zum März desselben Jahres starben in der Ukraine 364 Menschen an der Schweinegrippe.

UKRAINIER FORDERN

TRANSPARENZ EIN

All diese Vermutungen könnten ganz einfach widerlegt werden, wenn die DTRA-Labore auch nur eine minimale Transparenz über ihre Tätigkeiten ermöglichen würden. Welche wissenschaftlichen Ergebnisse erbrachten die 15 in der Ukraine ansässigen Labore innerhalb der vergangenen 15 Jahre?

Eine Petition ukrainischer Bürger mit dieser Anfrage blieb unbeantwortet. Das Übereinkommen über die Nichtverbreitung biologischer Waffen verbietet die Entwicklung, Herstellung und Lagerung biologischer und bakteriologischer Waffen, legt jedoch keine spezifischen Methoden zur Überwachung dieser Anforderungen fest. Ein im Jahre 2001 entwickeltes Zusatzprotokoll sollte die Einhaltung der Konvention gewährleisten, indem ein unabhängiges Kontrollgremium Inspektionen biologischer Labore durchführen sollte. Doch lehnte die US Regierung jegliche Bestrebungen in diese Richtung ab. Die Absage begründeten sie damit, dass eine solche Kontrolle Möglichkeiten zur Industriespionage eröffnen würde.

Der amerikanische Professor Francis Boyle von der University of Illinois, Autor des Gesetzesentwurfs gegen den biologischen Terrorismus von 1989, behauptet, dass 13.000 Wissenschaftler in 400 amerikanischen Laboren damit beschäftigt sind, Kampfviren zu entwickeln. »Im Grunde haben wir eine offensive Biowaffenindustrie, die gegen die Biological Weapons Convention und den Anti-Terrorist Biological Weapons Act von 1989 verstößt«.

Vor einigen Tagen verkündete der russische ABC-Abwehrtruppenleiter Generalleutnant Igor Kirillow, dass Proben militärisch relevanter Krankheitserreger vom ukrainischen Staatsgebiet verbracht wurden. Seine Aussage bestätigte indirekt die amerikanische Staatssekretärin Victoria Nuland, indem sie angab, dass die USA dabei sind, den Zugang zu militärisch relevanten Proben zu veranlassen. Für den Abtransport könnten die oben erwähnten diplomatischen Kanäle benutzt worden sein.

UNTERSTELLTE BIOWAFFEN
ALS KRIEGSPROPAGANDA

»Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit,« ist ein journalistischer Gemeinplatz – dennoch lässt sich die Aussage inhaltlich nicht bestreiten. Kriegslist ist wohl eine Notwendigkeit und an sich kein Verbrechen. »Der Krieg kennt keine Regeln. Das Wesen des Krieges ist Gewalt. Selbstbegrenzung im Krieg ist Idiotie. Schlag als Erster. Schlag hart. Schlag ohne Pause«, sagte einst der britische Admiral John »Jackie« Fisher.

Dem Gegner den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu unterstellen, die später nie gefunden wurden, zählte für die Amerikaner und ihre Satellitenstaaten in der Vergangenheit als Kriegsgrund. Der NATO-Angriff auf den Irak ist noch nicht allzu lange her. In Zeiten eines unerklärten Krieges gilt es daher für mich, einen Zivilisten, es zu wagen, alles – wirklich alles – zu hinterfragen.


Ilia Ryvkin, geboren in Russland, wohnt in Berlin und ist Journalist und Bühnenautor. Er ist DW-Osteuropakorrespondent und besuchte für die Zeitung Moskau, Kiew und Minsk.




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 81 am 04. März 2022




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