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Apartheid als Modellprojekt

Wann merkt der letzte Bürger noch, dass höhere Inzidenz vom Testen kommt?

Von Hans-Jürgen Bandelt

Es ist doch nur ein Test – wehtun. Ein Test, nur einmal am Tag, damit wir mitten in der grün regierten Universitätsstadt, die Neckargasse hinauf, den Holzmarkt und die Kirchgasse hindurch wieder shoppen gehen können, ganz spontan mit Maske und Abstand. Es ist doch kein grüner Stern auf der Stirn und kein Namensschild mit grünen Punkt am Revers, sondern nur ein Armband mit QR-Code, das uns die Pforten und Türen öffnen soll. Es ist doch keine elektronische Fußfessel, da wir fast schon die alte Freiheit durch die Maske atmen. Es ist ja auch völlig freiwillig, keiner wird gezwungen, einkaufen zu gehen.

Wer will, kann mit seinem Zertifikat sogar in Kultureinrichtungen hineingehen. Da gab es bereits vorher Miniprojekte, wie bei den Berliner Philharmonikern. Die freien Kunstschaffenden, derzeit vom Berufsverbot betroffen, hungern nach Möglichkeiten, wieder auftreten zu können. Dafür könnten sie sogar versucht sein, staatliche Regularien per Impfung und Testung in Kauf zu nehmen, die den kritischen Teil der Bevölkerung konsequent ausgrenzen. Kunst nur für die Willigen.

Das Testen in die neue Freiheit, das aseptische, gegängelte und kontrollierte Surrogat für die wilde Freiheit, ist kostenlos für das Individuum. Das Modellprojekt »Öffnen mit Sicherheit« scheint anzukommen in der Universitätsstadt. Der Handelsverband Baden-Württemberg sieht den Versuch positiv. »Seit Beginn am Montag haben wir täglich rund 4.000 Schnelltests gemacht«, sagt eine Notärztin: In den ersten Tagen seien drei positiv Getestete »herausgezogen« worden. Inzwischen hat sich gezeigt, dass im Durchschnitt einer von 1.000 Schnelltests positiv ist. 

SAISONALES HERAUSZIEHEN UND EINSPERREN

»Herausgezogen« ist das richtige Unwort. Jene schnell positiv getesteten Unglückseligen müssen nochmals antreten: Ist doch nur ein PCR-Test, Stäbchen rein und wieder raus, und bis das Ergebnis am nächsten Tag da ist, müssen sie sich samt Familie halt selbst einsperren. Nur jeder zweite wird mit dem PCR-Test als positiv bestätigt. Zur weiteren Sicherungsverwahrung des Virus sind noch Abstand und Masken da. Die Begeisterung ist so groß, dass dieser Modellversuch vor Ort noch um zwei Wochen verlängert wird, aber auf den Landkreis beschränkt bleibt, damit die Inzidenz nicht noch weiter über die 100 schießt. Sonst merkt der letzte Bürger am Ende noch, dass höhere Inzidenz vom Testen kommt.

Und viele andere Städte ziehen nach, ob groß, ob klein, wollen im April dabei sein, gerne für drei Wochen. Ein kleines, aber doch ganzes Bundesland, das CDU-SPD-regierte Saarland, geht in den Modellmodus, was allerdings den Lockdownianern missfällt: »Die saarländische Landesregierung will ab dem 6. April mehr privates und öffentliches Leben erlauben. Der Ärzteverband Marburger Bund kritisierte die Entscheidung und sagte, Versuche in Modellregionen könnten keine Alternative zum Lockdown sein«. Diese panischen Kritiker, Ärzteverbändler wie auch Lehrergewerkschafter und andere Staatsakademiker, sehen nicht die höheren Ziele. Und zu ihrem Troste: Der harte Lockdown kommt trotzdem immer wieder und härter: Er ist so saisonal wie das Virus, das er angeblich eindämmen soll.

BERLIN, DIE STADT DER VORAUSEILENDEN APARTHEID

Und ja, das saarländische Projekt war bislang erfolgreich: Die Inzidenzen steigen und steigen. Denn das tun sie eben, gern über 100, wenn man viel mehr testet. Quot erat demonstrandum. Das Volk lernt: Die Belohnung Lockerung gibt’s nur mit Schnelltestung. Es sei denn, es handelt sich um Geimpfte (»nach Erhalt der finalen Impfung«) – die können bereits ab 17. April alles ohne Schnelltest tun in Berlin, der Stadt der vorauseilenden Apartheid.

Als Wissenschaftler getarnte No-Covidianer wollen sogar, dass sich »in mehreren bundesweiten Testwochen« alle Menschen im Abstand von zwei bis drei Tagen schnelltesten lassen. Achtzigtausend Gesunde müssten dabei in jeder vollen Runde jedes Mal einen Schreck kriegen. So schreibt Jochen Ziegler auf achgut.com: »Die massenhafte Testung Gesunder ist jedenfalls sinnlos und schädlich, da sie nur Angst verbreitet und Misstrauen sät. Im übrigen stellt sie eine Kontrolle dar, die tief in die Freiheitsrechte eingreift.«.

Doch hört man drohend fast in allen deutschen Parteien – außer denen, die verteufelt werden – die Forderung nach mehr und noch mehr Schnelltests, von Sahra Wagenknecht (Die Linke) bis Christian Lindner (FDP) und den Freien Wählern. Das Volk ist also zufrieden: Ein Teil wartet noch ergeben auf den erlösenden Pieks. Tests und Impfungen gehen Hand in Hand.

GEGEN DIE IMPFPFLICHT, ABER NICHT GEGEN DEN IMPFZWANG

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats ist genauso wie der Gesundheitsminister gegen die Impfpflicht, aber offenbar nicht gegen den Impf- und Testzwang. Wer geimpft ist, soll seine geklauten Grundrechte wiederbekommen, aber »gerecht« soll es dabei zugehen: Wer »genesen« ist oder einen tagesaktuellen negativen Test vorweisen kann, soll gleichgestellt werden mit einem Geimpften. Das sei gerecht und ethisch fundiert. Wer sich jedoch allem verweigert, muss sich in Apartheid mit der basalen Lebensführung bescheiden. Und wer dann kerngesund die Quarantäne standhaft verweigert, wird ins QZ, ins Quarantänezentrum, transportiert und interniert.

Anreize sind so für die Impfung vorgesehen, denn die »Pandemie« darf erst beendet sein, wenn alle in der EU oder gar weltweit geimpft sind. Die US-amerikanische Journalistin und Autorin Naomi Wolf bezeichnet die Pläne für einen Grünen Impfpass als absolute Endstation für die menschliche Freiheit. Die EU hat diese Endstation am 14. April erreicht: Schon Ende Juni soll der Grüne Pass einsetzbar sein. Wahrscheinlich wird dieser Pass, für die viele Nicht-EU-Staaten kein Äquivalent anbieten, hilfsweise durch Schnelltestung bei Grenzübertritt ersetzbar sein.

Mit den nächsten Novellen des Bevölkerungs- beziehungsweise des Epidemiegesetzes in Deutschland beziehungsweise Österreich ist zu erwarten, dass immer weitergehende Ermächtigungen die Parlamente faktisch obsolet werden lassen und die Länder in einen »Biofaschismus« führen, genau wie ihn Naomi Wolf beschreibt. Diese neue geistig-unmoralische Wende steuert uns in den totalen Hygienismus, in dem jegliche Teilhabe am Leben aseptisch und kontrolliert ist. Der frühere Richter des britischen Höchstgerichts Lord Sumption warnte jedenfalls, dass die sozialen Kontrollen, die die Corona-Pandemie hervorgebracht hat, von den Regierungen zehn Jahre lang aufrechterhalten werden könnten. Ist doch nur eine kurze Zwischenzeit. 


Zum Autor: Hans-Jürgen Bandelt, Jahrgang 1951, war Professor am Fachbereich Mathematik der Universität Hamburg, wo er sich neben der Behandlung kombinatorisch-geometrischer Probleme den Anwendungen der Genetik auf vorgeschichtliche Fragestellungen widmete, sowie Studien zur forensischen und medizinischen Genetik betrieb. Er ist Mitglied der Gesellschaft für Bildung und Wissen e.V. und schreibt gegen den Bildungsabbau in Schule und Hochschule an. 




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 45 am 23. Apr. 2021




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