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ORTHODOXER WIDERSTAND

DIE KIRCHE IM UNTERGRUND

Von Ilia Ryvkin

Als der weltweite Virus-Wahn ausbrauch, stieß dieser in Russland umgehend auf kritische Stimmen. Diese kamen sowohl aus der Wissenschaft, von Forschern und Medizinern als auch aus der Zivilgesellschaft, vertreten von Patientenverbänden und Elternkomitees.

Politisch war der Protest an beiden Rändern der Parteienpalette beheimatet: dem radikal-freiheitlichen, dem libertären und dem patriotischen-antiwestlichen. Eine breite Bewegung jedoch, jenseits der abgelebten Schubladenaufteilungen, ist bis jetzt in Russland nicht zu beobachten. Auch der Schritt von der Kritik in den Widerstand bleibt eine Ausnahme. Der Anstoß, diesen Weg zu beschreiten, ist mitunter der Glaube.

Ich befinde mich mitten im Uralgebirge. Hinter mir liegt ein verschneiter Weg. Vor mir das rebellische Anti-Corona Kloster, wo die staatlichen Maßnahmen vehement abgelehnt werden. Bei minus dreißig Grad scheint selbst die im Schnee widergespiegelte Sonne einzufrieren.

EIN SKEPTISCHER EMPFANG

»Wohlan, lasst den Pilger rein!« Die Schranke geht quietschend hoch. Männer in zusammengewürfelten Uniformen geleiteten mich zu einem
Wachhäuschen. Drinnen steht einen Dickbauchofen voller Hitze, es gibt frisch aufgesetzten Tee, einige Ikonen, auf denen Zar Nikolaus der II. zu erkennen ist. »Bist du ein Blogger?«, fragt mich einer der Wächter. »An dieser Sorte Besucher verbrennen wir uns ständig die Pfoten. Erst kam diese Tussi aus der Glotze und pöbelte die Nonnen an, dann die mit den Hubschraubern, die in den Wäldern herumschnüffelten. Manche sprachen, so wie du, wie gedruckt. Am Ende kamen nur schlechte Lügenbeiträge heraus. »Ich versuche die Männer für mich zu gewinnen und gebe vor, dass ich das Heiligtum ehren möchte. »Zeig erst einmal dein Tattoo her«,sagt ein zweiter Wachmann, der am warmen Ofen lehnt. »Hat das eine Bedeutung? Rezitier mal das orthodoxe Glaubensbekenntnis«, drängt er mich. Ich bin vorbereitet und tue es. »Amen, passt«, lächeln sie in ihre Vollbärte. »Du wirst hier aber keinen interviewen. Es gibt nur einen, der Bescheid weiß: Das Väterchen. Aber der ist in Moskau in Haft und gibt seit Wochen keinen Laut von sich. Er hört auf Gott.« Ich stehe auf und hebe den Rucksack auf. »Warte bitte. Zeig mal dein Brustkreuz«, fordert mich einer der Wärter auf. Ich habe keines und gebe vor, es verloren zu haben. Die Augen des Bärtigen in Uniform zeigen sich mir in einer unfassbaren Klarheit. »Diese Augen haben Krieg gesehen«, denke ich und ärgere mich, dass ich mein Kruzifix zu Hause vergessen habe. Ich denke wirklich »Kruzifix«, als wäre ich ein Bayer. Die ganze Reise hinfällig, verloren. »Und du sagst, du wärest orthodox«, herrscht mich der Wachmann an. »Das geht nicht!« Er denkt kurz nach, dann: »Hier, nimm mein Kreuz und trage es.« Geschafft. Ich betrete das Klostergelände.

Warum die Mühe? Die Strecke von Moskau zum Kloster von gut dreieinhalbtausend Kilometern hatte ich mir vorgenommen, da mich eine Nachricht bis ins Mark getroffen hatte: Militärs der Nationalgarde hatten in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Frauenkloster gestürmt. Unfassbar. In einem unscharfen Video war ein dunkles Gewimmel aus schwer ausgerüsteten Polizisten und ebenso schwarz gekleideten Nonnen zu sehen. Das Sturmkommando verprügelte Klosterschwestern und entführte »den Altvater«. Das Bild »Gewehrlauf, auf ein erschrockenes Kindergesicht gerichtet«, gibt mein Gedächtnis seitdem obsessiv immer wieder. Nun war ich hier, in der fremden Welt der östlichen Orthodoxie.

DIE ANKUNFT DES BÖSEN

Die russische Volksfrömmigkeit hat zur Staatsgewalt seit vielen Jahrhunderten ein zwiespältiges Verhältnis. Während sich die offizielle Kirche seit Jahrhunderten den jeweiligen Regenten anbietet, gibt es immer wieder große Bewegungen des orthodoxen Widerstandes. Als 1666 durch die Regierung eine Änderung der Gottesdienstordnung herbeigeführt worden war, sahen viele Konservative dies als Ankunft des Bösen. Ebenso die Einführung von staatlichen Verwaltungstechniken. Sie wurden als Abtrünnige verfolgt, gefoltert und getötet. Dem Kompromiss mit dem Satan zogen die Entschlossensten »die Feuertaufe« oder »den roten Tod« vor. Andere flohen in die Einöde und ließen sämtliche Papiere des aus ihrer Sicht unrechtmäßigen Staates zurück, weil »das Teufelssiegel« darauf zu erkennen war.

Nach dem Umbruch von 1917 und der Tötung des Zaren gingen Teile der Kirche erneut in den Untergrund, ebenfalls in Ablehnung einer neuer Verwaltungs- und Herrschaftstechnik: Die Einführung des für alle verbindlichen Reisepasses. »Frühe Christen«, bekundete in jener Zeit der Erzbischof Hermogenes, der ein Jahr später als bekennender Nationalist und Antisemit von bolschewistischen Revolutionären verhaftet und nach einem ergebnislosen Vermittlungsversuch in einem Fluss ertränkt wurde, »befolgten alle gesetzmäßige Vorschriften der Welt. Alle außer Götzendienst. Die wahren Gläubigen kommender Tage legen aber buchstäblich das ganze Staatsrecht ab. Die Überwachung entsteht dank der jederzeit überprüfbaren Nummern, die der Staat den Menschen zuordnet, sodass er alles über jeden weiß. Jegliche Staatsgewalt gehört missbilligt, da sie unter dem Vorwand nomineller Gewissensfreiheit sich selbst zum Abgott macht.« 

Widerstand aus dem Glauben ist auch unter anderen von der ostchristlichen Orthodoxie geprägten Völkern bekannt. Dieser kommt dabei nicht aus den oberen Etagen der Hierarchie, sondern aus der alten Tradition der »Altväter«. Dieser Titel bezeichnet weder Amt noch Rang, sondern eher einen mystischen Mentor, Wegweiser, Beschützer. Politisch korrekt waren Altväter nie. Seit Jahrzehnten warnen sie vor der digitalen und biopolitischen Tyrannei der globalen Eliten. Die Hochburg des weltweiten Altvätertums ist der Berg Athos in Griechenland mit seiner autonomen Mönchsrepublik. Mit klaren Worten wendete sich der dortige Erzabt an Weihnachten gegen die Corona-Auflagen der griechischen Regierung, die Impfkampagne im Allgemeinen und die Einführung eines Impfpasses im Besonderen. In Serbien prägte der exzentrische Mönch Antonie Davidovič die Anti-Corona-Proteste und sieht sich seitdem krassen Polizeischikanen ausgesetzt.

MORD UND WUNDER

Ich passiere die zweite Wache unmittelbar vor der Klosterwarte. Die goldenen Kuppeln verschwimmen in der Sonne und die weißen Kirchenbauten ragen herwvor, wie aus dem Schnee gewachsen. Alles ist Neubau; entworfen in neo-traditionalistischer Manier, derart schlicht, dass der Geist keinen Augenblick in Äußerlichkeiten verfangen bleibt. Die Figuren der vorbeigehenden Schwestern scheinen zu flirren, wie Schatten von Schmetterlingen, schwarz auf weiß. Keine einzige schaut mich an. Eine 40 Tonnen schwere Glocke schlägt irgendwo oben, neben der Sonne und ermahnt mich, den Gast, dass es mir nicht gebührt, Engel anzustarren. 

Dieses Kloster ist das des Altvaters Sergius Romanow, der nun in Moskau im Gefängnis sitzt. Er ist mit Abstand der umstrittenste Geistliche Russlands. Böse Zungen behaupten, in seiner ungestümen Jugend sei er ein Räuber gewesen. Eine Geschichte von ihm ist berühmt: Eines Nachts lasen der zukünftige Mönch und seine zwei Begleiter einen Mann auf der Straße auf. Die drei waren stark betrunken, dennoch wollten sie den Mann mit dem Auto nach Hause fahren. Auf der Strecke erlitten sie einen schweren Autounfall. Und hier scheiden sich die Erzählungen. Der Altvater berichtet von einer drei Tage und Nächte anhaltenden Abwesenheit, in der sein Geist seinen Körper zurückließ. Er beschaute sein eigenes Leben als eine ewige Gegenwart, bis er in den Dienst der Himmelskönigin berufen wurde und zu diesem Zweck mit wunderlichen Gaben ausgestattet worden war. Eine andere Geschichte steht in den Unterlagen des Strafverfahrens: Als nach dem Unfall der aufgelesene Fahrgast auszusteigen versuchte, schlugen die drei Täter ihn mit einem Stein und legten den Körper in den Kofferraum. Als das Opfer das Bewusstsein wiedererlangte, schlugen die Angreifer abwechselnd mehr als zehn Mal mit einem schweren Werkzeug auf seinen Kopf, banden eine Steinplatte an die Leiche und warfen diese in den Fluss. 

Ich persönlich bringe dem Urteil eines sowjetischen Gerichts kein größeres Vertrauen entgegen, als den Berichten von einer spirituellen Reise unter Alkoholeinfluss. Aber auch wenn die Anschuldigungen stimmen sollten: Im Christentum tauchen immer wieder Figuren der Läuterung auf, so wie Petrus, Paulus oder gar Moses der Schwarze. Während der 13 Jahre, die er in Haft verbrachte, verwandelte sich Nikolai Romanow zum Altvater Sergius. Nach seiner Entlassung wurde er Mönch und machte sich stark für den Bau eines Männerklosters. Diesem Bau folgte die Frauenabtei, vor deren hohen Mauern ich jetzt stand. Diese ist zur Selbstversorgung Hunderter Bewohnerinnen angelegt. Neben diesen zwei bekannten Bauwerken hört man von mehreren Einsiedeleien in abgelegenen Wäldern.

Seit Ende Dezember 2020 ist Sergius wieder in Haft. Die Anklage nach Paragraph 110 des Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation lautet »Verleitung zum Selbstmord«. Inmitten einer Predigt hatte er die Anwesenden aufgefordert, sich dazu bereit zu bekennen, für Russland zu sterben. »Ich bin es«, erwiderte eine Klosterschwester nach der anderen. »Wir scheiden zusammen hin«, erteilte ihnen der Angeklagte daraufhin den Segen.

ANWALT SIEHT POLITISCHE VERFOLGUNG

»Von wegen Verleitung zum Selbstmord«, der Anwalt Iwan Mironow betrachtet den Fall als politisch. »Die Bereitschaft für die Heimat zu sterben, ist der natürlichste Zug jedes Patrioten.« Mironow empfang mich vor meiner Abreise zum Kloster in seiner Kanzlei, die nur ein paar Kilometer vom Kreml entfernt liegt. Es ist eine teure Gegend. Er selber war auch schon angeklagt worden, den Totschlag eines Politikers vorzubereiten, dem wir den Ausverkauf sowjetischen Erbes zu verdanken haben. Er wurde freigesprochen und gilt heute in Moskau als Nationalistenanwalt. Der hinter Gittern zu Tode gefolterte Anti-Pädophilie-Aktivist Maxim Marzinkewitsch zählte zu seinen Mandanten. Die Bücherregale in seinem Büro sind voll, darunter auch eigene Werke. Seine Bücher schreibe er mit einem goldenen Montblanc-Füller. Er präsentierte mir im Gestus eines Kollegen sein letztes Werk und ich schlug eine beliebige Seite auf: »Revolution ist ein leidenschaftliches Verlangen nach dem Umbruch, die Unmöglichkeit zu dulden, zu kriechen, ein Aufstand des Willens, ein feierlicher Krawall! Revolution stirbt nicht, solange ihr Herz schlägt! Das Herz der Revolution schneidet keine Grimassen auf Bühnen, wischt keine Gerichtshöfe, betreibt keine Selbstbefriedigung in sozialen Netzen! Das Herz der Revolution bebt in Gefängnissen. Aus dem Leid, aus der hasserfüllten Selbstaufopferung tritt ein Leben-als-Kampf aus!«

Ein durchaus treffendes Buch, meine ich. »Vater Sergius erhob die Stimme gegen jene Kirchen- und Staatsoberen, die der Weltfinanzmafia zu Diensten stehen, nicht den Russen. Deshalb wurde er verhaftet«, sagt Iwan Mironow. »Er ist für sie gefährlich, weil er sehr beliebt ist und einen starken Charakter hat. Außerdem umgeben ihn Erzählungen von bewirkten Wundertaten. Als die Corona-Hysterie ausbrach, ermahnte Vater Sergius die Menschen, Gott zu fürchten, nicht die Seuche. Die geschlossenen Kirchentüren seien Sünde, gar Verbrechen. Weder Online-Gottesdienste noch Masken in der Kirche würden sich der Orthodoxie ziemen.« Der Anwalt beschreibt, wie nach dieser öffentlichen Stellungnahme eine Vielzahl an Behörden im Kloster aufgekreuzt seien, vom Finanzamt bis zum Jugendamt. »Weil sie nichts bemängeln konnten«, so der Anwalt, »begann der Unsinn mit der »Verleitung zum Selbstmord«. Aber er würde im Gefängnis an Anhängerschaft gewinnen, ist der Anwalt überzeugt. »Alle Art von Prominenz fühlt sich betroffen, sowohl aus den rechten Kreisen, als auch manche Linke.« »Ich kam ja, selbst extra aus Berlin hergeflogen. Seit dem Ende der Sowjetunion ist kein Kloster mehr in Russland gestürmt worden«, entgegne ich ihm. »In Russland nicht, in der Ukraine schon«, beendet der Anwalt das Gespräch.

SCHLIMMER ALS DER TOD

Zurück im Kloster: Als ich mich vor einer wundertätigen Ikone verbeuge, meldet sich ein junger Mann, um mir einen »ganz besonderen Ort« zu zeigen: Der Klosterfriedhof. »Spüren Sie hier was?«, fragt er mich. »Schauen Sie dieses Grabkreuz an. Die Nonne war nicht mal zwanzig, als sie sich eine Krankheit erbat, um unser Land zu erlösen. Kurz darauf verstarb sie an Krebs.« Er zeigt auf weitere Gräber: »Die da war zweiundzwanzig. Und diese da ...«

Ich sitze in der Wartehalle des Flughafens und warte auf meinen Rückflug nach Moskau. Ich trage wieder den Maulkorb im Gesicht und bekomme im Gegenzug gratis W-LAN. Ich denke über die fremde Welt der Orthodoxie nach. Einige der Gläubigen, so wurde mir im Kloster erzählt, hätten es geschafft, gänzlich den Zeitgeist zu bannen und das Leben, ja die ganze Weltgeschichte, als eine zeitlose Gegenwart zu beschauen, deren Geist tief in der Ewigkeit seine Wurzeln schlug. »Die Welt vergeht, sie bestehen ewiglich«, so hatte mir das mein Friedhofsführer beim Abschied gesagt. Da reißt mich eine Nachricht auf dem Smartphone aus den Gedanken: Eine Frau namens Zhanna Tetenewa, eine Lehrerin die seit 20 Jahren Ukrainisch an einer Schule in den Ostkarpaten unterrichtet, weigerte sich, die Maske aufzusetzen. Auch während des Unterrichts. Die angedrohte Strafe überstieg fünf ihrer Monatsgehälter. Zu ihrem Motiv äußerte sich Tetenewa wie folgt: »Gott schuf uns nach seinem Abbild. Mit offenem Gesicht erkennen wir sein Ebenbild im Gegenüber. Ich setze keine Maske auf. Für mich ist sie schlimmer als der Tod.« 




Dieser Text erschien in Ausgabe N° 39 am 05. März 2021




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